Gewachsene Qualität, zum letzten Mal

Dirigent Daniel Harding verabschiedete sich in der Glocke mit einem mitreißenden Konzert vom Bremer Publikum

„Dearest Daniel, it was so nice with you“ – die BremerInnen ließen es sich nicht nehmen, animiert vom Auftritt des bestens aufgelegten Kabarettisten Pago Balke dem nach vier Jahren scheidenden musikalischen Direktor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Daniel Harding, ein Ständchen zu singen – wippend, trampelnd und mit wedelnder Speckflagge und „Humorhut“. Das taten nach dem Abschiedskonzert „Last Night before the Proms“ nicht nur die 1.200 im großen Saal der Glocke, sondern auch die Menschen auf dem randvoll gefüllten Marktplatz, die sich mit Sekt und feinem Essen ihren Proms-Abend eingerichtet hatten.

Und nicht nur das: Über 9.000 Menschen nahmen am Handy-Gewinnspiel teil, mit dem man sich eine Zugabe per Handy-Anruf auswählen konnte. Zweifelsohne ist der 28-jährige Daniel Harding von den bremischen Dirgenten klassischer Musik der populärste.

Aber es war auch ein Superkonzert, das noch einmal die sicht- und hörbar gewachsenen Qualitäten der Zusammenarbeit zeigte. Da ist in erster Linie die stets faszinierende Homogenität zu nennen, die man schon als einen intakten Organismus bezeichnen kann. Damit geht Harding nicht nur souverän um, sondern da schaltet er sich sozusagen „horizontal“ ein, wird mit seinem Dirigierstil zu einem Teil des Orchesters.

Da können dann die französisch-barocken Tänze von Jean-Philippe Rameau in ihrer durchaus historisch orientierten Spielweise mitreißen, da kann Beethovens strahlende siebente Sinfonie mit unerhörter gemeinsamer Virtuosität regelrecht abgehen – kleine Einschränkung: Dauerhochdruck, der nicht immer zurückzuschrauben war – und da gelingt für das Violinkonzert von Jean Sibelius eine hochsensible Orchesterbegleitung für den Solopart. Mit dem überzeugte Viktoria Mullova einmal mehr als eine der weltbesten Geigerinnen, stark und strahlend ihr Ton, nuancenreich und großbogig ihre Phrasierungen für das leider zu selten gespielte Werk.

Offen ist nach wie vor die Frage, wer Hardings Nachfolger wird. Mitte Oktober soll die Entscheidung fallen, bis dahin wird es nichts mehr als Gerüchte geben. Das hartnäckigste unter den Gerüchten: Paavo Järvi, Musikalischer Direktor des Cincinnati Symphony Orchestra, soll Harding beerben.

Ute Schalz-Laurenze