Schuld und Schulden in der Krise

Düster fällt die Regierungserklärung von Bürgermeister Ole von Beust vor der Bürgerschaft zur Wirtschaftslage aus. Dass die Gesetze des Marktes versagt hätten, erstaunt SPD und Linke nicht

Mit 556 Millionen Euro für die Jahre 2009 und 2010 will der Senat die Wirtschaft in Hamburg stützen. Mit einem eigenen Programm von 250 Millionen Euro werden kurzfristig zu realisierende Maßnahmen vorgezogen, die erst in einigen Jahren umgesetzt werden sollten. Diese Investitionen müssen somit jetzt über Kredite finanziert werden, dafür entfallen diese Investitionen später. Zu den größten Einzelmaßnahmen zählen die Erhöhung des öffentlichen Wohnungsbaus von 650 auf 1.000 Wohnungen pro Jahr, die Sanierung von Klinikgebäuden für 79 Millionen und die von Schulgebäuden für 30 Millionen Euro. Hinzu kommen mehr als ein Dutzend einzelner Projekte wie Straßensanierungen, Instandsetzung von Grünanlagen und ähnliches. Aus dem Konjunkturpaket II des Bundes erhält Hamburg weitere 230 Millionen Euro, die Stadt muss eine Kofinanzierung von 76 Millionen Euro aufbringen. Das Gesamtvolumen von 306 Millionen Euro muss zu zwei Dritteln für Investitionen im Bildungsbereich und zu einem für sonstige Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben werden. Alle Maßnahmen müssen zusätzlich zu bisherigen Planungen sein. Größte Posten sind 35 Millionen Euro für ein Programm „Hort in der Schule“, 21 Millionen Euro zur Steigerung der Energieeffizienz und 20 Millionen Euro für Investitionen im Hafen.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Es war ein Hauch von Untergangsstimmung, der am Mittwochnachmittag durch das Rathaus wehte. Hamburg stehe Auge in Auge „mit den Vorboten einer Krise, wie es sie seit Jahrzehnten nicht gegeben hat“, malte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in düsteren Farben. Der Tiefpunkt sei jedoch noch lange nicht erreicht: „Es wird immer bedrohlicher.“

Eine Regierungserklärung ist den wahrhaft wichtigen Themen vorbehalten. Die gestrige war von Beusts erste seit Bestehen des schwarz-grünen Senats im Mai vorigen Jahres. Und sie fiel vor vollständig versammeltem Plenum und vollbesetzten Publikumsrängen eher defensiv aus. Über wirtschaftliche und politische „Eliten, die versagt haben“, sprach von Beust und davon, dass auch die Gesetze des Marktes nicht funktioniert hätten: „Es hilft doch nichts: Wir müssen uns das eingestehen.“

Und deshalb wolle der Senat mit einem Konjunkturprogramm (siehe Kasten) gegensteuern, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Ob es helfen wird, weiß aber auch der Bürgermeister nicht so recht: „Ich kann nicht garantieren, dass das Konjunkturprogramm wirken wird“, räumte von Beust ein, „aber wer es nicht versucht, versündigt sich am Standort Hamburg und der Zukunft dieser Stadt“.

Dafür müsse Hamburg neue Kredite aufnehmen und wahrscheinlich „noch vor der Sommerpause einen Nachtragshaushalt vorlegen“, kündigte von Beust an. Denn der Doppelhaushalt 2009/2010, der in der ersten Märzwoche von der Bürgerschaft verabschiedet werden wird, dürfte spätestens bereits Mitte Mai Makulatur sein. Nach der dann vorgelegten Mai-Steuerschätzung dürfte die Finanzlage der Stadt sich um einen stattlichen dreistelligen Millionenbetrag verschlechtern. „Keiner wolle neue Schulden machen“, beteuerte der Bürgermeister, „aber bedauerlicherweise sind sie notwendig“.

Notwendig sei vor allem ein entschiedenes Gegensteuern, sagte SPD-Fraktionschef Michael Neumann und eben dies vermisse er. Viele Punkte des Konjunkturprogramms seien zwar zu „begrüßen“, zugleich enthalte es aber „viele fehlerhafte Einschätzungen und falsche Aussagen“. So sei zum Beispiel die Absicht zu loben, 35 Millionen Euro für das Programm „Hort in der Schule“ auszugeben – „aber Sie wissen ja noch nicht einmal, wo im Jahr 2011 die Standorte der Schulen sein werden“, mahnte Neumann an.

Klare Worte des Bürgermeisters zur Krise der HSH Nordbank vermisse er, kritisierte Neumann weiter, und warf von Beust vor, „sich vor der Verantwortung zu drücken“. Für Sozialdemokraten sei es keine neue Erkenntnis, höhnte Neumann, „dass Kapitalismus ohne Grenzen und Regeln nicht funktioniert“. Aber jeder habe eine zweite Chance verdient, „auch die Wirtschaftspolitik der CDU“.

Das sei inhaltlich arg dürftig gewesen, hielt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan dem Oppositionsführer vor. Mit reiner Mäkelei am schwarz-grünen Konzept, „ohne eigene Vorschläge zu machen“, habe Neumann es sich zu einfach gemacht. „Es könnte eine Sternstunde der Bürgerschaft sein, über die Rollen von Politik und Wirtschaft zu sprechen“, träumte Kerstan – und reihte anschließend Altbekanntes und Binsenweisheiten aneinander. Wahrscheinlich war er gedanklich gerade auf einem anderen Stern.

Dass der Markt versagt habe, sei nun wirklich keine Neuigkeit, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Dora Heyenn. Ihre Schlussfolgerung daraus lautet: „Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Ökologie.“ Und dafür sei es erforderlich, „nicht nur die Ausgaben des Staates zu betrachten“, sondern auch die Einnahmen: „Wir fordern eine Sonderabgabe von fünf Prozent auf Privatvermögen von mehr als einer Million Euro“. Diese Vermögenssteuer sei notwendig, um dem Konjunkturprogramm „die fehlende soziale Komponente“ hinzuzufügen.