Die Antibabypille schmeckt den Fischen nicht

Arzneikonzerne müssen künftig prüfen, wie Rückstände von Medikamenten im Wasser oder Boden wirken können

BERLIN taz ■ Der Hormon-Cocktail ist der Dickkopfelritze zu viel – dem etwa zehn Zentimeter großen Friedfisch geht der Nachwuchs aus. Schuld ist die Antibabypille, deren Inhaltsstoffe über das Abwasser in den Wasserkreislauf gelangen. Rückstände von rund 80 Arznei-Wirkstoffen wurden bereits in Flüssen, Grundwasser und Böden entdeckt. Noch ist kaum bekannt, wie sie auf Mensch und Tier wirken.

„Die Situation ist beunruhigend“, sagte Hermann Hahn, Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, jüngst vor Journalisten. Er warnt vor Panikmache, will aber auch nichts kleinreden. Wasserwirtschaftler entwickelten bereits Techniken, um Medikamentenrückstände aus dem Wasser zu filtern. „Das erscheint heute sehr teuer“, sagtHahn. Doch habe früher auch die Desinfizierung von Abwasser als unbezahlbar gegolten, heute sei sie gang und gäbe.

„Inzwischen wissen wir immerhin, welche Wirkstoffe in welchen Konzentrationen in unseren Gewässern sind“, sagt Ines Rönnefahrt vom Umweltbundesamt (UBA). Sie arbeitet im Bund-Länder-Ausschuss Chemikaliensicherheit, der gerade über dem Bericht „Arzneimittel in der Umwelt“ brütet. Die Frage, welche Auswirkungen Pille oder Antibiotika in den Gewässern haben, kann auch diese Studie nicht beantworten. Dazu seien umfangreichere Untersuchungen nötig, die nicht nur dauern, sondern auch kosten würden.

Medikamente bereiten nicht nur in Flüssen oder Seen Sorgen – viele Substanzen bleiben im Klärschlamm zurück, der dann als Dünger auf den Feldern landet. „Über Arzneimittelrückstände im Boden ist so gut wie nichts bekannt“, sagt Müfit Bahadir. Sein Institut für ökologische Chemie und Abfallanalytik an der Universität Braunschweig ist eines der wenigen, das auf diesem Gebiet forscht – die Arbeiten stehen noch ganz am Anfang.

Licht ins Dunkel bringen könnte die neue Umweltprüfung für Humanarzneimittel: Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Europäische Arzneimittelagentur dazu einen entsprechenden Leitfaden, der für Pharmaunternehmen bindend werden soll. UBA-Mitarbeiterin Rönnefahrt wertet ihn als „echten Fortschritt“. Eine Gesetzeslücke wird aber auch nach der Novellierung des europäischen Arzneimittelrechts bleiben: Bereits zugelassene Arzneimittel brauchen auch künftig keine Umweltprüfung.

BERND MIKOSCH