Auflösung vertagt

Der Aufsichtsrat der Nasdaq Deutschland diskutierte in Bremen über die Selbstauflösung der Technologiebörse

Bremen taz ■ „Ich weiß auch nichts, ich kann Ihnen nur sagen, dass gerade eine Sitzung in Bremen stattfindet.“ In der Berliner Zentrale der Nasdaq Deutschland gab man sich gestern Abend ratlos. Dabei fand an der Weser zeitgleich eine „Dringlichkeitssitzung“ über die Zukunft der Technologiebörse statt – und die sieht dem Vernehmen nach düster aus. Den ganzen Nachmittag über beriet der Aufsichtsrat der Nasdaq Deutschland in – vermutlich gut klimatisierten – Räumlichkeiten an der Kohlhökerstraße über der Selbstauflösung des Börsenplatzes. Das Kontrollgremium des deutschen Ablegers der US-Hightech-Börse Nasdaq werde jedoch „heute zu keiner Entscheidung mehr kommen und morgen weiter beraten“, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters kurz vor taz-Redaktionsschluss „aus unternehmensnahen Kreisen“.

Bereits seit einigen Tagen hatten Börseninsider die Erwartung geäußert, dass der Aufsichtsrat in Bremen die Schließung der deutschen Nasdaq endgültig besiegeln werde (taz berichtete). Der Aktienmarkt, an der neben der US-amerikanischen Muttergesellschaft die Commerzbank, die Comdirect-Bank, die Dresdner Bank und die gemeinsame, eigens für dieses Projekt fusionierte Wertpapierbörse Berlin-Bremen beteiligt sind, war erst im vergangenen März gestartet worden. Mit rund 240 Aktienwerten war die Privatanlegerbörse an den Start gegangen. „Seit die Nasdaq Deutschland am Netz ist, registrieren wir im Orderbuch durchgehend enge Spreads, gute Liquidität und exzellente Preisgestaltung“, hatte der Vorstandsvorsitzende der Nasdaq Deutschland, Jim Weber, noch im April dieses Jahres gejubelt. Weber sprach damals von „bis zu rund 3.000 Börsenwerten“, auf die die deutsche Nasdaq als „qualitativ anspruchsvolle Handelsplattform für deutsche Privatanleger“ expandieren wolle.

Doch von Beginn an litt die Nasdaq Deutschland unter sehr geringen Umsätzen – gegenüber dem großen Konkurrenten, der Frankfurter Börse, sah die Nasdaq zusehends alt aus. Der Chef der US-Nasdaq, Robert Greifeld, hat die Faxen sowieso schon länger dicke: Weil er auch in den USA mit sinkenden Marktanteilen zu kämpfen hat und sich deshalb stärker auf den Heimatmarkt konzentrieren will, hatte er bereits im Mai den Ausstieg aus der Nasdaq Deutschland bekannt gegeben. jox