Israel droht Syrien mit Angriffen

Nach mehreren Attacken der Hisbullah gegen Nordisrael droht Israels Premierminister Ariel Scharon mit Vergeltungsschlägen gegen syrische Ziele im Libanon. Demgegenüber macht die libanesische Regierung Israel für die Provokationen verantwortlich

aus Jerusalem ANNE PONGER

Über amerikanische und UNO- Kanäle hat Israel die Regierung in Damaskus gewarnt, es werde syrische Ziele im Libanon angreifen, sollten die Attacken der libanesischen Schiitenmiliz Hisbullah gegen Nordisrael nicht eingestellt werden. Seit Freitag hatte die Hisbullah zunächst israelische Armeestellungen, dann zivile Ortschaften mit Flugabwehrgranaten beschossen. Dabei wurden am Sonntag in Schlomi in Galiläa ein 16-Jähriger von Granatsplittern getötet und vier Menschen verletzt.

Trotz israelischer Flüge überdas Grenzgebiet wurde Hisbullah am Montag nicht aktiv. In Beratungen zwischen Premier Ariel Scharon und der Armeeführung wurde beschlossen, Hisbullah-Provokationen zunächst an ihrer Quelle zu beantworten, Zurückhaltung zu wahren und abzuwarten, ob Syrien auf US-Druck reagiert und Hisbullah zügelt.

Am Wochenende hatten die USA Syrien und Libanon ermahnt, die Hisbullah unter Kontrolle zu bringen. Deren Vizegeneralsekretär Naim Kassem versicherte, seine Organisation sei weder an täglichem Feuerwechsel noch an einer Eskalation interessiert, aber an Israels Übergabe der von Libanon reklamierten und umstrittenen Schabaafarm am Fuß der Golanhöhen und einer Einstellung israelischer Aufklärungsflüge in libanesischem Luftraum. Die libanesische Regierung begann gestern eine diplomatische Offensive, um die internationale Gemeinschaft zu überzeugen, dass Israel für die Spannungen an der Nordgrenze verantwortlich sei. Libanons Außenminister berief in Beirut die Botschafter der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder ein.

Zuvor hatte Libanon bei der UNO Klage gegen Israels Verletzung libanesischen Territoriums und Luftraums eingereicht. In Kairo berieten die Außenminister Syriens, Saudi-Arabiens und Ägyptens. In Israel forderten rechtsgerichtete Minister Schläge gegen syrische Interessen im Libanon, während Arbeitsparteipolitiker rieten, der Diplomatie eine Chance zu geben.

In Israel glaubt man, dass Hisbullah nicht wirklich über die Aufklärungsflüge im libanesischen Libanon besorgt ist. Man gibt zu, dass Überflüge, seit Israels Rückzug im Mai 2000, zur Erfassung von Hisbullahs militärischer Infrastruktur fortgesetzt werden. Die Flugzeuge fliegen jedoch so hoch und so schnell, dass Abwehrfeuer sie ohnehin nicht treffen könnte.

Israel wirft der Hisbullah vor, Flugabwehrgranaten seit Januar 2002 aus entlang der Grenze stationierten Kanonen in Richtung Israel zu feuern. Durch Granatsplitter seien seitdem 18 Personen verletzt worden. Dahinter stehe die Absicht, iranische und syrische Unterstützung zu rechtfertigen und im Libanon Präsenz zu demonstrieren. Der aktuelle Anlass für die derzeitigen Aggressionen scheint die Explosion einer Autobombe in Beirut vor knapp zwei Wochen gewesen zu sein, bei der ein Hisbullah-Funktionär getötet wurde. Da die Hisbullah dies als gezielte Liquidierung durch israelische Agenten sah, konnte sie nicht passiv bleiben.

Keiner der unmittelbar Beteiligten dürfte derzeit an einer Eskalation interessiert sein. Sowohl Libanon als auch Galiläa haben touristisch Hochsaison. Syrien und Iran wurden als „Terror fördernde Staaten“ von den USA genügend gewarnt. Und im Irak sind ausreichend US-Kräfte präsent, die neue Ziele im Kampf gegen den Terror suchen könnten.