Arbeitslose bald voll beschäftigt

Am Montag werden die Fragebögen zum Arbeitslosengeld II verschickt – ein neuer bürokratischer Blätterwald entsteht. Die Städte tappen noch im Dunkeln, Mieterverbände fürchten Ghettoisierung

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Ein transparentes Gesetz zu erfinden, liegt den meisten Politikern fern – daher die ganzen Aktenberge. Der jüngste Spross der nebulösen Formular-Generation landet am kommenden Montag in den Briefkästen sämtlicher Arbeitsloser des Landes – die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) schätzt, das allein in NRW rund 730.000 Menschen das Papier erhalten werden. Auf zehn Seiten sollen sich die künftigen „Kunden“ dann nackig machen. Heißt: Sie müssen Fragen beantworten zu Alter, Vermögen, Partner, Wohnung – die Neugier der Bürokraten ist grenzenlos.

Grund für die Bürokratie-Flut ist das am 1. Januar 2005 startende Arbeitslosengeld (ALG) II, die unter dem Stichwort „Hartz IV“ bekannt gewordene Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Wer diese Leistung beziehen will, muss natürlich hilfebedürftig sein. Doch wer ist hilfebedürftig? Wer nicht? Das soll der Fragebogen klären.

So sollen zum Beispiel Wohnkosten künftig nur übernommen werden, „soweit diese angemessen sind“. Letzteres zu definieren, ist derzeit Aufgabe der Städte. In Bochum tappt man diesbezüglich allerdings noch im Dunkeln. Die Leiterin des Sozialamts, Heide Ott, erklärte gestern, ihr Amt und die BA seien dabei, „Werte zu ermitteln, wie wir das in Bochum machen sollen.“ Auch die Sozialämter in Köln und in der Landeshauptstadt Düsseldorf warten noch auf Informationen der BA, was angemessener Wohnraum sei und was nicht. Überdies ist es nachher freilich ein immenser Aufwand, die Fragebögen auszuwerten. In den Städten werden etliche Personen damit beschäftigt sein, den dichten Blätterwald zu durchforsten.

Dagegen befürchten die Mieterverbände des Landes, dass durch das ALG II so genannte Arbeitslosenghettos entstehen könnten – möglichst billige Wohnungen scheinen für die Unterbringung sozial Schwacher gut genug. Ott gibt zu, es würde „die Gefahr bestehen, dass so etwas passiert.“ Doch man wolle alles tun, damit dies nicht geschehe. Im Vordergrund stehe aber zuerst die Leistungssicherung.

Fraglich ist außerdem, wie die Richtigkeit der Angaben überprüft werden soll. Die Chefin der NRW-Regionaldirektion der BA, Christiane Schönefeld, hat bereits angekündigt, es werde keine „Hausbesuche“ geben – man habe anderes zu tun. Ihr Pressesprecher, Werner Marquis, sagte der taz nun, man wolle die Daten mit anderen Behörden, beispielsweise mit dem Finanzamt, abgleichen. Die Kontrolleure kommen also quasi durch die Hintertür, „wenn Zweifel über die Richtigkeit der Angaben bestehen.“ Schwierig wird bloß, die privaten Lebensverhältnisse zu ermitteln. Wer ist Lebenspartner, wer Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft? Entgegen den Plänen seiner Chefin räumt Marquis ein, dass man sich „das dann doch mal anschauen“ müsse. Also doch Hausbesuche?