Safer Sex auf dem Dortmunder Straßenstrich

Die Huren-Beratungsstelle KOBER verteilt zusammen mit der Aids-Hilfe in wenigen Stunden 200 Kondome an Freier in der Ravensberger Straße. HIV-Schutzverhalten in der Bevölkerung sinkt. Immer mehr Prostituierte auf dem Strich

DORTMUND taz ■ Als Reaktion auf die steigende Zahl von HIV-Neuinfektionen hat die Dortmunder Prostituierten-Beratungsstelle KOBER (Kommunikations- und Beratungsstelle) gemeinsam mit der Aids-Hilfe zum zweiten Mal die so genannte „Freier-Aktion“ durchgeführt und dabei Informationsmaterial und Kondome an Freier auf dem Dortmunder Straßenstrich verteilt. Nachdem es während der Fußball-EM eher flau zuging auf dem Strich, hat der käufliche Sex jetzt wieder Konjunktur. Deshalb dauerte es nur wenige Stunden, bis die rund 200 Aids-Präventionspäckchen verteilt waren.

Anlass für diese Aktion sei der Anstieg der HIV-Neuinfektionen und anderer sexuell übertragbarer Krankheiten, so Wibke Schmidt von der AIDS-Hilfe: „Immer mehr Menschen nehmen die Aids-Gefahr nicht mehr ernst, weil sie glauben, die Krankheit sei heutzutage heilbar oder weil sie nicht genug über die Ansteckungswege wissen.“ Der aktuelle HIV/Aids-Bericht des Robert-Koch-Instituts sowie die sinkenden Absatzzahlen der Kondomhersteller belegen die Vermutung.

Tanja Mesic von KOBER sagt, dass das Bewusstsein und Wissen über AIDS und andere Geschlechtskrankheiten bei den Prostituierten mittlerweile sehr hoch sei, während die Freier die eigentliche Problemgruppe darstellten: „Die Frauen haben immer Kondome dabei, aber viele Freier verlangen weiterhin oft ungeschützten Geschlechtsverkehr.“ Dennoch habe die erste Aktion im Herbst 2003 gezeigt, dass die Nachfrage nach Sex ohne Kondom zeitweilig zurückgegangen sei. „Zumindest für vier Wochen“, so Mesic. Deshalb sei es umso wichtiger, das Präventionsprojekt regelmäßig zu wiederholen.

Die von nun an zwei Mal jährlich geplante Aktion soll das Bewusstsein der Männer schärfen und sie über die Gefahren von ungeschütztem Geschlechtsverkehr aufklären. Da die Freier aus allen sozialen Schichten und gesellschaftlichen Gruppen stammen, ist das Info-Material auch auf Türkisch, Russisch und in anderen Fremdsprachen vorhanden. Sabine Reeh, Sozialarbeiterin bei KOBER, berichtet, dass die Aktion im letzten Jahr von den Prostituierten begrüßt worden und auch bei den Freiern auf Interesse und Verständnis gestoßen sei: „Viele Männer haben Gesprächsbereitschaft signalisiert.“ Es sei jedoch immer wieder „schockierend“ zu sehen, dass einige Freier auf ungeschütztem Sex bestünden, ohne sich über das Ausmaß der Gefahren im Klaren zu sein: „Da sind noch die Kindersitze im Auto und man ahnt, dass dieser Mann ein normaler Familienvater ist, aber dennoch will er Sex ohne Kondom“, beschreibt Tanja Mesic das alltägliche Geschäft an der Ravensberger Straße.

In den letzten Jahren konnte KOBER zusammen mit der Aids-Hilfe und dem Dortmunder Gesundheitsamt große Erfolge bei der Beratung und Behandlung von Huren erzielen. Die KOBER-Mitarbeiterinnen, die derzeit rund 250 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren in einem kleinen Container auf der Ravensberger Straße im Dortmunder Norden betreuen, zeigen sich aber dennoch besorgt, da die Zahl der Prostituierten wieder zunimmt und diese Konkurrenz nicht nur zu Lohn-Dumping führt, sondern auch das Schutzverhalten der Prostituierten untergräbt: „Wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und der hohen Arbeitslosigkeit steigt die Zahl der Prostituierten an.“ Da sich außerdem viele Frauen die Bordell-Mieten von bis zu 150 Euro pro Tag nicht mehr leisten könnten, nehme auf dem Straßenstrich auch die Konkurrenz der Huren untereinander zu.

ULLA JASPER