Schluck und spuck

Wenn ein Bier-Papst und eine Power-Brauerfrau aufeinander treffen, dann schäumt es nicht nur in der „Bild“-Zeitung. Ein Dramolett in vier Szenen

Ort: eine Hunderttausenderstadt, die mit D. wie Dessau anfängt; Zeit: regnerischer Tag; handelnde Personen: Power-Brauerfrau, Braumeister, „Bild“-Reporter, die zwei Buben vom City-TV-Team, zwei „Bild“-Leser in der Bahn sowie der Bier-Papst.

ERSTE SZENE

Bier-Papst sitzt in der Bahn und liest über die Schulter seiner Vorderfrau in Fahrtrichtung folgende „Bild“-Schlagzeile: „Herr Rudolf, sind unsere Brauer alles Flaschen?“ Sagt sich in einem kurzen inneren Monolog!: Ja. Klar doch. Bittet kurz vor dem Aussteigen um die ausgelesene Zeitung, bedankt sich: Danke schön.

ZWEITE SZENE

Bier-Papst sitzt zu Haus am Telefon und lässt sich von „Bild“-Reporter die Schlagzeilen vorlesen.

Reporter: „Power-Brauerfrau schäumt. Der Bier-Papst ist eine Frechheit.“ Klingt geil, oder? Das war vorige Woche drin. Ich (hüstelt) habe ’nen Anschlag auf Sie vor. Heute habe ich getitelt: „Brauhaus-Chefin Gröger (52) fordert den Bier-Papst morgen zum Duell. Bier-Papst Michael Rudolf (41) hatte ein Billigbier von ihr verrissen.“ Wären Sie, ja, ich hab da ein bissel nachgeholfen, wären Sie dazu bereit? Wir zahlen alles. Sagen wa‘: morgen. 14 Uhr in der Brauerei in Dessau? Ich hol Sie dann von der Bahn ab?

Bier-Papst: Klar. Könn wa machen. Aber sicher, na klar.

DRITTE SZENE

Vor der Gasthausbrauerei in Dessau. Bier-Papst, lässig in schwarzem T-Shirt und Jeansjacke, und Reporter fahren mit dem Auto vor. Es regnet in Strömen.

Reporter: So, Frau Gröger, da wären wir. Das da ist Herr Rudolf, der Bier-Papst. Herr Rudolf: Frau Gröger. (Jovial) Tja, dann ma los.

Bier-Papst: Sehr schön. Hier um die Ecke bin ich vor ungefähr zehn Jahren mal in einem besetzten Haus aufgetreten.

Alle nehmen an einem Seitentisch Platz. Aufwärmbier. Smalltalk.

Reporter: Ich dachte so, Frau Gröger: Herr Rudolf bekommt jedes Ihrer Biere kredenzt und äußert sein Urteil, und ich lasse dann ein paar Fotos machen. Okay?

Hinzukommen jetzt zwei Buben vom City-TV-Team.

Die zwei Buben vom City-TV-Team: Ähem, Herr Bier-Papst, wir möchten Sie nachher … Geht das vielleicht …?

Braumeister fährt Edles Pils, Original und Zwickelbier auf, der Bier-Papst testet.

Bier-Papst: O, das würde ich öfter trinken. Frisch. Angenehm. Wird noch besser zum Ende. Ein Daumen hoch für Edles Pils.

Power-Brauerfrau (blättert im Buch des Bier-Papstes): Huch, da stehen ja Sachen drin.

Bier-Papst (wiegt Glas hin und her): Sehr harmonisch, freundlich. Gut für zum Draußensitzen. Nicht meine Sorte, trotzdem Daumen nach oben für Original.

Power-Brauerfrau (mit der Hand vorm Mund): Nein, die Ausdrücke! Haben Sie sich das alles selber ausgedacht?

Bier-Papst (nimmt vom Zwickelbier zwei schnelle Schlucke, sofort Begeisterung): Sehr spritzig, großes Lob. Zwei Daumen nach oben! Davon will ich noch eins. Trinkt noch ein weiteres Zwickel.

Die zwei Buben vom City-TV-Team: Herr Bier-Papst, ob wir mal kurz … hier vor dem Braukessel … geht ganz easy.

Bier-Papst: Schießt los, Jungs, was liegt denn an? Interview muss dreimal wiederholt werden, weil immer wieder ein Blödmann durchs Bild läuft.

Die zwei Buben vom City-TV-Team: Tschaui! Man sieht sich.

Power-Brauerfrau (lacht schrill auf): Das sind ja Schoten!

Reporter: Und? Frau Gröger? Ihr Bier erntet großes Lob vom Gerstensaftkritiker!

Power-Brauerfrau (und ihr Braumeister sehen kurz vom Buch auf): Was? Wie? Na, haben wir’s nicht gleich gesagt!? Beide schmökern intensiv weiter.

Reporter: Tja, ich muss dann los (hektisch), ich hab gleich Deadline. War schön, Herr Rudolf, bis zum nächsten Bierbuch. Tschüssikowski.

Braumeister (zu seiner Chefin): Schlag mal unter Krombacher nach. (Prustet laut): Wuaaahh, böööse, böööse.

Power-Brauerfrau: Auf solche Ideen musste erst ma komm’. (An den Bier-Papst gewandt) Da stehn ja ganz schöne Dinger drin. Also, nich dass Se denken, ich hätte … nee, das hat mir der Reporter so in ’n Mund gelegt. Ich seh das Buch zum ersten Mal.

Bier-Papst: Ich habe ja auch gar nicht Ihr Bier gemeint, das kannte ich bis vorhin überhaupt nicht. Im Buch ging es um ein Dosenbier gleichen Namens, da musste ich voll zuschlagen. Das hat der Bild-Fritze …

Power-Brauerfrau: … mit Absicht so gedreht. (Augenzwinkernd) Na, hinterher is auch egal.

Bier-Papst, Power-Brauerfrau und Braumeister sitzen noch einige Zeit in der Gasthausbrauerei beieinander, lachen und trinken hemmungslos Zwickelbier.

VIERTE SZENE

Bier-Papst sitzt in der Bahn nach Hause und liest über die Schulter seiner Vorderfrau in Fahrtrichtung die Schlagzeile einer anderen „Bild“-Regionalausgabe: „Dieser Mann spuckt den Braumeistern ins Bier“, bittet kurz vor dem Aussteigen um die ausgelesene Zeitung, bedankt sich: Danke schön. MICHAEL RUDOLF