Ehestreit im US-Senat: Bush will nur hetero

Der Präsident macht gleichgeschlechtliche Ehen zum Thema, um konservative Nichtwähler einzufangen

WASHINGTON taz ■ Die Initiative sollte als Tiger starten und ist als Bettvorleger gelandet, auf dem beide Parteien im Wahlkampfendspurt dennoch ausrutschten könnten: Der mit lautstarker Rhetorik begleitete Versuch von Präsident George W. Bush und seinen republikanischen Parteifreunden, das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen in der US-Verfassung festzuschreiben, ist am Mittwoch im US-Senat vorerst gescheitert.

Die Senatoren stoppten den Gesetzentwurf, der vorsah, die Ehe als ausschließliche Gemeinschaft zwischen Mann und Frau zu definieren. Es gilt als wahrscheinlich, dass er auch im Repräsentantenhaus abgelehnt wird. Eine Verfassungsänderung müsste von 38 der 50 Bundesstaaten ratifiziert werden.

Obwohl seit Wochen absehbar war, dass die Gesetzesinitiative keine Aussicht auf Erfolg haben würde, wurde sie mit aller Macht herbeigeführt, um die Debatte über die Homo-Ehe aus wahltaktisch Gründen so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Die Republikaner geben unverblümt zu, dass sich das emotional aufgeladene Thema vortrefflich für ihren Wahlkampf eignet, um unter der christlichen Rechten auf Stimmenfang zu gehen. Sie hoffen, die schätzungsweise vier Millionen christlichen Konservativen zu mobilisieren, die bei der letzten Wahl im November 2000 zu Hause blieben. Einige tausend von ihnen könnten ausreichen, die Chancen der Republikaner in wahlentscheidenden „Swing States“ zu erhöhen.

Dabei handelt es sich auch um ein Ablenkungsmanöver. Angesichts schwacher Umfragewerte, der Probleme im Irak und der entlarvenden Untersuchungsberichte zum Versagen der Geheimdienste in Bezug auf Saddam Husseins Waffensysteme war für Bush die Verlockung zu groß, eine der kontroversesten Debatten in Amerika erneut vom Zaun zu brechen, um seine Truppen um sich zu scharen. Außerdem galt es kurz vor dem Parteitag der Demokraten, Herausforderer John Kerry, der die Verfassungsänderung ablehnt und dessen Heimatstaat Massachusetts die Homo-Ehe legalisierte, das Leben schwer zu machen.

Für viele Kommentatoren ist das Ansinnen der Republikaner jedoch ein unverantwortliches Spiel mit der Verfassung. „Wollen sie wirklich das Verfassungsgerüst verzerren, nur um Menschen, die sich lieben vom Heiraten abzuhalten?“, polemisiert die Washington Post, die die Homo-Ehe befürwortet und glaubt, dass die Bundesstaaten die Frage autonom regeln sollten.

Das Treiben der Konservativen entbehrt nicht der Ironie. „Ich erinnere mich der Tage, als die Republikaner eine schlanke Bundesregierung predigten, die sich aus den Angelegenheiten der Staaten heraushalten soll“, sagt der demokratische Senator Patrick Leahy. Manche warnen daher, dass Bushs Eifer einen Bumerangeffekt haben könnte. Zwar belegen Umfragen, dass eine deutliche Mehrheit der US-Bevölkerung Bushs traditionell-christliches Eheverständnis teilt, jedoch eine Verfassungsänderung ablehnt. Bush läuft Gefahr, moderate Republikaner und Wechselwähler zu verprellen, da sie seine Haltung als intolerant empfinden könnten – im freiheitlichen Amerika kein erstrebenswertes Prädikat für einen Präsidenten. MICHAEL STRECK

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