Krank wie überall

Der Krankenstand von Hamburger ArbeitnehmerInnen liegt im Bundesdurchschnitt. Auffallend aber erhöhte Zahl psychischer Leiden

Zahlen geben keinen Anlass, über zuviel „Blaumachen“ zu schimpfen

von ELKE SPANNER

In Hamburg sind von 100 ArbeitnehmerInnen im Durchschnitt täglich drei bis vier krank. Mit einem Krankenstand von 3,5 Prozent liegt die Hansestadt damit auf Bundesniveau. Eine Zahl allerdings ragt aus der aktuellen Erhebung heraus, die die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) gestern präsentierte: Während psychische Erkrankungen bundesweit nur einen Anteil von 8,5 Prozent an allen Krankheiten haben, liegt der Anteil in Hamburg bei 14 Prozent – womit psychische Leiden die dritthäufigste Diagnose sind, mit der Berufstätige krankgeschrieben werden.

Da die Zahl psychischer Erkrankungen auch in der Hauptstadt Berlin auffallend hoch liegt, spricht Judith Berger vom „Institut für Gesundheits- und Sozialforschung“, die die Studie erarbeitet hat, auch von einem Großstadtphänomen: Zum einen seien die BewohnerInnen von Großstädten oft eher bereit, gegenüber ÄrztInnen über psychische Probleme zu sprechen, als etwa DorfbewohnerInnen beim einzigen Hausarzt vor Ort. Zum anderen sei in Hamburg das Angebot an NeurologInnen, PsychiaterInnen und PsychologInnen erhöht, so dass es öfters zu der fachgerechten Diagnose kommt.

In anderen Ländern und Gemeinden, so Berger, würden psychische Erkrankungen oft verschleiert: PatientInnen würden wegen eines verspannten Nackens krankgeschrieben und nicht wegen der Depression, die der Verspannung möglicherweise zugrunde liegt. Auf der anderen Seite, sagt Berger, erlitten in der Großstadt womöglich auch mehr Menschen Depressionen und andere psychische Leiden: „Durch die Auflösung sozialer Netze werden die Menschen bei Problemen weniger aufgefangen.“

Das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung hat die Krankschreibungen von 90.000 DAK-Mitgliedern aus Hamburg ausgewertet. Im Schnitt waren ArbeitnehmerInnen im Vorjahr 12,7 Tage krank, bei Frauen lag der Krankenstand mit vier Prozent höher als bei Männern mit 3,1 Prozent. Die meisten gelben Scheine werden wegen Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems, vor allem wegen Rückenschmerzen, ausgefüllt. „Rückenschmerzen sind die deutlich wichtigste Einzeldiagnose“, sagt Berger. Dabei falle auf, dass Frauen zwar häufiger unter Rückenschmerzen leiden als Männer, sich mit der Diagnose aber seltener krankschreiben lassen.

Die PatientInnen, sagt DAK-Landesgeschäftsführer Walter Olgemüller, beginnen in der Regel zu spät mit vorbeugenden Maßnahmen – oftmals erst, wenn die Erkrankung schon chronisch ist. Dabei könnte man Rückenleiden gut durch präventive Maßnahmen wie Gymnastik verhindern. Olgemüller geht davon aus, dass die Kassen 10 bis 15 Prozent der Kosten für Rückenerkrankungen sparen könnten, wenn die PatientInnen mehr Prophylaxe betreiben würden.

Am zweithäufigsten lautet die Diagnose auf Erkrankung des Atmungssystems wie grippale Infekte, gefolgt von den psychsichen Erkrankungen – die in Hamburg sogar über der Zahl verletzungsbedingter Arbeitsausfälle liegen.

Keinen Anlass geben die Zahlen laut DAK, über „Blaumachen“ zu schimpfen: Über die Hälfte der berufstätigen Mitglieder, deren Daten erhoben wurden, hat nicht ein einziges Mal wegen Krankheit am Arbeitsplatz gefehlt.