Staatsrat entkräftet und aufgeklärt

Affären-Wellinghausen: Für Ronald Schill ist nach der neunstündigen Sondersitzung des Innenausschusses der Fall erledigt. Für die Opposition ist der Staatsrat erledigt. SPD und GAL zielen jetzt auf den noch urlaubenden Bürgermeister Ole von Beust

von PETER AHRENS

Für den Innensenator lag der Fall auf der Hand: „Die Vorwürfe gegen den Staatsrat sind aufgeklärt und entkräftet“, stellte Ronald Schill gestern fest und offenbarte damit ein weiteres Mal seine Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung. Neun Stunden lang hatte sich der Innenausschuss der Bürgerschaft am Montagabend bis morgens um zwei Uhr bemüht, von Schill und seinem müde wirkenden Staatsrat Walter Wellinghausen Klarheit über Nebentätigkeiten, Rechtsverstöße und andere gegen den Staatsrat gerichtete Vorwürfe zu erhalten. Und was die Abgeordneten geboten bekamen, war eine der üblichen Schill-Shows. Der Senator wiederholte wieder und wieder seine Argumente, verweigerte die Antwort auf Fragen und hatte ansonsten immer das Instrument der anwaltlichen Schweigepflicht zur Hand, wenn Wellinghausen zu sehr in Bedrängnis zu geraten drohte.

Und trotzdem: Alle Winkelzüge, Wortschleifen und Beleidigungen, zwischen denen Schill auszuwählen pflegte, konnten den Staatsrat und seinen Senator nicht aus der Defensive bringen. Kurz vor Mitternacht musste Wellinghausen eingestehen, dass er noch im Vorjahr Zahlungen von der Münchener Aktiengesellschaft Isar II erhalten hatte, obwohl er nach eigener Aussage bereits im Dezember 2001 aus dem Vorstand ausgeschieden sei. Und auch beim Themenkomplex um den Polizeibeamten und ehemaligen Wellinghausen-Mandanten Olaf A., der auf Drängen Schills nicht aus dem Dienst entlassen wurde, konnten Senator und Staatsrat sich lediglich auf eine zweifelhafte Rechtsauffassung berufen, die die Opposition in ihren Bedenken eher stärkte als beruhigte.

SPD und GAL hatten denn auch gestern nach der Sitzung Oberwasser. „Wellinghausen hat über seine Einkünfte in Sachen Isar II erst geschwiegen, dann gelogen und jetzt eingestanden. Der Mann ist untragbar“, folgerte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch und attackierte zudem Schills „arroganten Umgang mit Abgeordneten“. Tatsächlich hatte Schill die NachfragerInnen von SPD und GAL immer wieder persönlich angegangen, ihnen Naivität, Laienhaftigkeit und „Unkenntnis der Lebenswirklichkeit“ attestiert. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen aus CDU,FDP und Schill-Partei ließen dies ohne Regung von Widerspruch über sich ergehen. Besonders dem SPD-Obmann im Ausschuss, Michael Neumann, zeigte er sich in herzlicher Abneigung verbunden – und umgekehrt. „Sie sind derjenige, der Dreck auf die ganze Stadt wirft“, ging Schill den SPD-Mann an und reizte ihn mehrfach, indem er Neumanns Ausbildung als Politologe erwähnte, die ihn für die Erörterung juristischer Fragen disqualifiziere. Der SPD-Politiker gab zurück: „Bei Ihrer kreativen Auslegung des Rechts kann jeder froh sein, nie bei Ihnen als Angeklagter vor Gericht gestanden zu haben.“

Gestern hatte Neumann sich wieder eingermaßen beruhigt und kündigte gemeinsam mit Fraktionschef Walter Zuckerer an, einen Antrag auf Entlassung Wellinghausens in die nächste Bürgerschaftssitzung am 3. September einzubringen. Vor einer Woche hatte Neumann noch seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, Wellinghausen werde noch am Tag nach der Ausschusssitzung „nicht mehr Staatsrat sein“. Nach Schills Nibelungentreue zu Wellinghausen vom Montag war klar, dass das so schnell nicht passieren wird.

SPD und GAL zielen deshalb nun auf den noch urlaubenden Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Wenn der jetzt nicht handele, so Zuckerer und Neumann, mache er sich „politisch weiterhin erpressbar“. Und Christa Goetsch konstatierte: „Der Senat wird mehr und mehr zum rechtsfreien Raum, und der Bürgermeister greift nicht ein.“

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