kopfpauschale
: Ein Modell für Privilegierte

Es ist auch bloß ein Modell. Was der Sozialökonom Bert Rürup gestern als ultimativen Plan zur Einführung der Kopfpauschale vorstellte, erfährt zwar deutlich mehr Aufmerksamkeit als viele der vorangegangenen Pläne. Das ändert nichts daran, dass auch Rürups jüngstes Modell ein Rechenexempel eines rhetorisch begnadeten Professors ist.

KOMMENTARVON ULRIKE WINKELMANN

Politisch relevant werden solche Gebilde erst, wenn sie von regierenden oder demnächst regierenden Parteien aufgegriffen werden. Deshalb ist politisch bedeutsam an Rürups Modell, was sich die CDU davon als ideologisch verwertbaren Bestandteil einkauft. Und das wird vor allem die Empfehlung des Sozialdemokraten Rürup sein, die privat Versicherten unbehelligt zu lassen.

Das heißt: Wem es schon jetzt am besten geht, der darf sich auch weiterhin zu Sonderbedingungen privilegiert versichern. Die Union wird sich zuallererst daran messen lassen müssen, ob sie beim Umbau des Gesundheitswesens diese Ungerechtigkeit erhalten will. Zumindest die CSU hat hier schon andere Vorschläge gemacht.

Es gibt keinen anderen Grund, die Privatversicherungen als Parallelsystem zu erhalten, als den ohnehin Begünstigten auch eine bessere medizinische Versorgung sichern zu wollen. Die private Krankenversicherung ist nicht günstiger – außer für junge Männer. Ihre Prämien steigen stärker als die Kassenbeiträge.

Sie ist nicht effizienter – ihre Verwaltungskosten sind höher als die der Kassen. Und schließlich ist es ganz falsch zu meinen, die Privatversicherung sei zukunftssicherer, weil sie ja auf echtem Kapital sitze. Der Löwenanteil des Geldes in der privaten wird ebenso per Umlage umgewälzt wie in der gesetzlichen Versicherung. Einmal ganz abgesehen davon, dass nicht bewiesen ist, wie sicher Kapitalanlagen sind.

Es werden derzeit beinahe täglich neue Kopfpauschalen-Modelle vorgelegt, die Kleinverdiener gar nicht, nur ein bisschen oder ziemlich stark belasten. Alle sind sie schöne Denksportaufgaben fürs interessierte Publikum: Kann das hinhauen? Wird da nicht etwas unterschlagen? Jenseits dessen aber ist der wichtigste Beitrag dieser Modelle, dass sich an ihnen die großen gesellschaftlichen Grundsatzfragen durchdeklinieren lassen. Zum Beispiel, ob man ein allgemeines, öffentliches Gesundheitssystem mit gleichem Zugang für alle haben möchte. Wer dies aber verneint, fällt um mindestens 100 Jahre zurück.

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