Mit Walnüssen, dicken Socken und Schürze

Die tapfer-pfiffigen Linkssozialisten vom ISK leisteten lange Widerstand gegen das Nazi-Regime. In Hannover diente ein Brotgroßhandel als Tarnung

Hannover taz ■ Sie trugen dicke Socken mit Filzunterlage, Handschuhe und Schürzen, um nur ja keine Spuren bei ihrer Aktion an der Bahnstrecke zwischen Bückeburg und Hannover zu hinterlassen. „Hitler ist der Krieg!“ hatten Hermann Beermann und Alfred Dannenberg vom kleinen wie elitären Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) mit Riesenlettern an eine Hauswand gepinselt, damit es ja jeder sehen konnte.

Und damit in diesen Tagen des großen Widerstands-Gedenkens nicht nur von Adeligen, Offizieren und sogar Kriegsverbrechern die Rede ist, die dann doch das Nazi-Regime stürzen wollten, fügt die taz die Geschichte der Mutigen vom tapferen linkssozialistischen ISK hinzu.

Eigentlich hatten die Rollkommandos der Nazis schon bis 1935 den größten Teil des Arbeiterwiderstands gebrochen. Tausende Sozialdemokraten und KPD-Funktionäre waren von der Gestapo verhaftet worden. „Wer in den späteren Jahren noch den Mut zum aktiven Widerstand aufbrachte, zahlte für dieses Engagement sehr häufig mit dem Leben“, schreibt der Magdeburger Historiker Detlef Schmiechen-Ackermann über die ISK. Zu den Risikobereiten gehörte in der Arbeiterhochburg Hannover die „Sozialistische Front“ des Redakteurs Werner Blumenberg, die 1936 mit Hilfe eines von der Gestapo eingeschleusten Spitzels zerschlagen wurde.

Vor allem ihr „hoher Grad an konspirativer Absicherung“ habe es der mehrere hundert Personen starken ISK mit Stützpunkten in Bremen, Braunschweig, Köln, Kassel und im ganzen Reich erlaubt, bis 1938 im Untergrund zu agieren, urteilt Schmiechen-Ackermann. Die etwa 25 ISKler in Hannover waren offenbar besonders pfiffig: In der Weihnachtszeit knackten sie Walnüsse und brachten sie zugeklebt und gefüllt mit einem Flugblatt unter die Leute. Weibliche Mitglieder der ISK marschierten gerne in den Abendstunden mit Koffern am Hauptbahnhof, in der City und an der Stadthalle vorbei. Die Gepäckstücke waren mit einer chemischen Lösung an der Unterseite präpariert worden: So entstand beim Abstellen ein Stempelaufdruck mit antifaschistischen Parolen, der erst bei Tageslicht sichtbar wurde.

Erst als ein Kurier im Sommer 1937 in Hamburg eine Aktentasche mit belastendem Material vom Fahrrad verlor, die die Staatspolizei fand, wurde der ISK nach und nach zerschlagen. 102 Personen wurden verhaftet, 38 vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu langen Jahren im Zuchthaus verurteilt. „Selbst in der Niederlage zeigte sich, dass die generalstabsmäßig operierende Widerstandsorganisation das Schlimmste verhindern konnte“, urteilt der Historiker Schmiechen-Ackermann. Viele der ISKler in Hannover blieben unentdeckt oder überlebten gut getarnt in Verstecken. Selbst Erna Blencke, deren Brotgroßhandel lange die lokale ISK-Zentrale getarnt hatte, konnte nach New York fliehen. Kai Schöneberg