taz-serie (2): wie fahren wir 2010?
: Der Große Deal zwischen Autoindustrie und Öffentlichen

Privatisiert Busse und Bahnen wie die Telekom!

Dereguliert den öffentliche Verkehr, dann wird er günstiger, komfortabler, einfach besser! Die das fordern, schielen auf die Telekommunikationsbranche. Die Privatisierung der Telekom gilt als eine der klügsten Entscheidungen des Staates: Er hat unser Geld, wir seine Aktien. Warum sollte Gerhard Schmid unter dem Namen Mobilcom nicht auch Millionen Platzkilometer von der Bahn und den Verkehrsverbünden kaufen. Er könnte sie unters Volk bringen. Warum soll die neue Mobilcom uns nicht auch Zugang zu Autos und Rädern bieten? Mobilität aus einer Hand, warum gibt es das nicht?

Wenn man sich fragt, warum etwas Neues nicht entsteht, muss man sich an die wenden, die das Alte gut finden: die Autoindustrie und die öffentlichen Verkehrsbetriebe. Diese scheinbaren Konkurrenten haben eine langjährige Verabredung. Der öffentliche Verkehr bekommt Subventionen und bleibt in seiner kleinen Nische. Der Steuern zahlende Autofahrer bekommt ein besseres Gewissen und Platz zum Fahren. Praktisch geht das so: Mit viel Steuergeldern versenkt man die Straßenbahn, nennt das Ergebnis unten U- und oben Autobahn.

Nichts ist so schwer aufzubrechen wie ein gesellschaftspolitisch klug verabredetes Oligopol. Schließlich darf der Bürger frei wählen: ein gutes und teures Pkw-System und ein weniger gutes und teures öffentliches Verkehrssystem. Und das Wichtigste an der klugen Verabredung: Beides lässt sich nicht kombinieren. Wer halb Bus und Bahn, ein Viertel Rad und ein Viertel Auto fahren will, findet kein Angebot. Er muss sich ein ganzes Auto und ein ganzes Jahresabo kaufen. Abgeschottet sind die Märkte für Auto und öffentlichen Verkehr. In Wahrheit ist die hoch gelobte Kooperation der Verkehrsträger damit ein „großer Deal“ – und ein Fall fürs Kartellamt.

Deshalb müssen sich die Politiker von einer alten Idee verabschieden. Dass man die Integration und Kooperation der einzelnen Verkehrsarten planen und verordnen könne. Vielmehr muss der Staat dem Bürger ermöglichen, die Verkehrsmittel selbst zu mischen: halb Auto, halb Bus. Die Nachfrage nach solchen Angeboten wird das Kartell schon knacken. Schreiben Kommunen ihre öffentlichen Verkehrsleistungen aus, können sie kombinierbare Autobausteine wie Car-Sharing, Sammeltaxen oder Anrufbusse fordern. Vor allem sollten sie sich das Herz des großen Deals vornehmen und umweltfreundliche Verkehrsmittel bei der Zuteilung von Stellplätzen bevorteilen. Das kostet nichts, wirkt aber enorm.

Natürlich werden die großen Dealer dagegen sein, eine solche Politik vermischt ihre sorgsam getrennten Ressourcen: Geld für die öffentlichen Verkehrsbetriebe und Platz für das Privatauto. Neben der Zufriedenheit der Bürger wird sich eine neue Verkehrspolitik deshalb in zweierlei Hinsicht messen lassen. Erstens: die Lautstärke des Geschreis der großen Dealer. Zweitens: die Zahl der Mobilcoms, die ihren Kunden Autos, Bahn, Busse und Räder aus einer Hand anbieten. MARKUS PETERSEN

Der Autor ist Gründer von Stattauto, Mitglied der Projektgruppe Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)Nächste Woche: Hilfe, ein Fahrgast – der Kunde im ÖPNV