Deutsche essen wieder ungesund

Weißbrot und Schokolade sind in. Nicht das Geld spielt die Rolle, sondern der Spaßfaktor

MÜNCHEN/NEUHERBERG taz ■ Der Trend zu Gemüse und Vollkornbrot in Deutschland ist gebrochen – schon seit Mitte der Neunzigerjahre. Das haben Wissenschaftler des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg aufgedeckt. Anhand vier großer Studien haben sie das Ernährungsverhalten von 1984 bis 2001 unter die Lupe genommen. Ergebnis: Die Deutschen essen heute gesünder als vor 30 Jahren, aber nicht mehr so gesund wie Ende der 80er. „Besonders die Jüngeren haben Informationsbedarf“, so Angela Döring vom GSF zur taz. Sie essen viel mehr Weißbrot und Süßigkeiten, aber weniger Gemüse als noch vor zehn Jahren. Außerdem greifen sie lieber zu Nudeln als zu Kartoffeln.“

Trotzdem hat das ständige Herunterbeten der Ernährungsregeln seit 1984 zu einer Verbesserung geführt: So kommen häufiger Fisch und Geflügel anstatt Fleisch und Wurst auf den Tisch. Milchprodukte, Käse und Frühstückscerealien werden mehr gegessen, Eier weniger. Und der Mineralwasserkonsum ist stark gestiegen. Die sinkende Nachfrage nach Fleisch geht nach Ansicht der Wissenschaftler aufs Konto der vielen Lebensmittelskandale in den vergangenen Jahren.

Warum das Gesundheitsbewusstsein in der jüngeren Generation seit 1995 wieder nachlässt, darüber können sie bisher nur spekulieren. Die Autoren glauben, dass eine deutlich geringere Beteiligung an der letzten der vier Studien eine Rolle spielen kann, nehmen den Trend aber dennoch ernst. Zumal Teilnehmer bei Befragungen zum Ernährungsverhalten ihre Essgewohnheiten gerne schönten. Döring: „Der Trend zur ungesunden Ernährung könnte stärker sein, als unsere Zahlen belegen.“

Helmut Erbersdobler, Professor an der Uni Kiel, sieht die „Abkehr vom Vollkornbrot und die Zuwendung zum Weißbrot in Form von Ciabatta“ als Folge der Spaßgesellschaft. Er glaubt allerdings, dass die Menschen eine gesunde Ernährung künftig wieder ernster nehmen werden. Er argumentiert in einem Editorial der Zeitschrift Ernährungsumschau, der Trend werde von „Fun und Fitness“ wegen leerer Geldbeutel wieder weggehen.

Die Autoren der Studie fordern „geeignete Maßnahmen“, um das Gesundheitsverhalten wieder ins Positive umzukehren. „Meiner Meinung nach sind hier die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die DGE, und andere Informationsdienste gefragt“, so Angela Döring. Die ältere Generation habe ihre Lektion gelernt, aber der Trend bei den Jüngeren sei besorgniserregend. „Gerade vor dem Hintergrund, dass Jugendliche immer dicker werden und immer früher unter Diabetes und Herzkrankheiten leiden“, sagt sie. Messlatte für eine „gesunde“ Ernährung sind die zehn Regeln der DGE (s. Kasten). Unumstritten sind sie nicht. Brot und Kartoffeln werden von einigen Wissenschaftlern als Diabetes-fördernd angesehen.

Übrigens sieht es in anderen Ländern ähnlich aus. Auch die Dänen essen weniger Fleisch, Eier und Kartoffeln und mehr Fisch, Nudeln, Reise und Gemüse. Den Franzosen ist ebenso der Appetit auf Fleisch und Wurst vergangen. KATHRIN BURGER

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