Irak dominiert englische Nachwahlen

In zwei parlamentarischen Wahlkreisen in Birmingham und Leicester verlieren Labour und Konservative zugunsten der Liberaldemokraten. Dank ihrer Gegnerschaft zum Irakkrieg kippen sie eine hohe Labour-Mehrheit

DUBLIN taz ■ Für die regierende Labour-Partei war es kein guter Tag, für die oppositionellen Konservativen war es eine Katastrophe. Bei Nachwahlen in zwei Wahlkreisen der mittelenglischen Städte Leicester und Birmingham – beides bisher Labour-Hochburgen – verlor die Regierungspartei am Donnerstag einen Sitz an die Liberaldemokraten und verteidigte den anderen Sitz nur mit hauchdünner Mehrheit.

In Leicester-Süd siegten die Liberalen mit 34,9 Prozent vor Labour (29,3) und den Konservativen (19,7); im Birminghamer Stadtteil Hodge Hill lagen sie mit 34,2 Prozent nur knapp hinter Labour (36,5). Auch hier rutschten die Tories mit 17,3 Prozent auf einen kläglichen dritten Platz ab.

Beide Wahlkreise waren innerstädtische Gegenden, in denen ethnische Minderheiten einen hohen Bevölkerungsanteil stellen. Der liberale Sieger in Leicester war indischer Herkunft. Während die Liberaldemokraten erst spät in den Wahlkampf eingegriffen hatten, waren die Konservativen und Labour von Anfang an mit sehr viel Energie dabei gewesen. Das halbe Kabinett gab sich in beiden Wahlkreisen ein Stelldichein. Tory-Chef Michael Howard wohnte fast dort in den letzten Wochen. Seine Parteihelfer verteilten am Wahltag um halb fünf Uhr morgens Flugblätter mit dem Butler-Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht worden war. Darin beklagte Lord Butler, der die Geheimdienstarbeit zum Irak untersuchte, Pannen bei der Informationsbeschaffung und übereifrige Nutzung falscher Informationen durch die Regierung, aber eine individuelle Schuldzuweisung lehnte er ab.

Einfluss auf die Nachwahlen, so stellte der Guardian in einer Umfrage fest, hatte der Bericht zwar nicht, doch der Irakkrieg spielte neben Themen wie die Kriminalitätsrate und asoziales Verhalten eine große Rolle: In Gegenden mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil, früher stets fest in Labour-Hand, sind die Verluste besonders dramatisch. Die linksradikale Antikriegspartei Respect bekam in Leicester-Süd stattliche 12,7 Prozent und in Hodge Hill 6,3.

Labour und Tories versuchten gestern dennoch, den Wahlergebnissen eine gute Seite abzugewinnen. Gesundheitsminister John Reid sagte: „Das Ergebnis ist nicht unbefriedigend, denn Labour regiert schließlich seit sieben Jahren. Aber die Tories sind in der Krise, weil sie sich rückwärts bewegen.“ Der stellvertretende Tory-Vorsitzende Liam Fox meinte dagegen: „Die Wahlen zeigen doch deutlich, dass die Wähler die Nase voll haben von Labour. Sie suchen händeringend nach einer Partei, die Labour schlagen kann.“

Fündig wurden sie aber nicht bei den Konservativen, sondern bei den Liberalen Demokraten. Deren Vorsitzender Charles Kennedy sagte hoch erfreut: „Es war ein wunderbarer Tag für uns. Der Irak war ein wichtiges Thema. Labour wird immer unbeliebter, aber die Wähler wenden sich nicht den Tories zu, sondern uns. Das hat große Bedeutung für die nächsten Unterhauswahlen.“ RALF SOTSCHECK