WAS BISHER GESCHAH

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied erstmals 1980, dass ein Arzt nach falsch ausgeführter Sterilisation den Unterhalt für das später geborene Kind (wrongful life genannt) bezahlen muss. 1983 erweiterten die Richter diesen Ansatz auf unterbliebene Abtreibungen. Ein Arzt hatte damals nicht erkannt, dass die Schwangere an Röteln erkrankt war, worauf sie ein schwer behindertes Kind gebar. Auch hier musste der Arzt den Unterhalt des Kindes zahlen. Kritiker sagen: „Ein Kind kann nie ein Schaden sein.“ Selbst der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts machte sich diese Sicht (in einer Nebenbemerkung seines Abtreibungsurteils von 1993) zu Eigen. Doch der zuständige Erste Senat des Verfassungsgerichts entschied den Streit 1997 im Sinne der bisherigen BGH-Linie: Nicht das Kind sei der Schaden, sondern die Unterhaltsverpflichtung. Wer als Arzt eine Sterilisation durchführe oder Schwangere berate, müsse eben sorgfältig arbeiten, sonst habe er (beziehungsweise seine Versicherung) für die Folgen einzustehen. CHR
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