Weser am Tropf

Die Hälfte des Wassers in der Oberweser kommt aus der Edertalsperre. Die aber ist bald leer. Schiffe und Fische säßen dann auf dem Trockenen

„Dann können Sie hier kniebedeckt zum anderen Weser-Ufer waten.“

von Armin Simon

Wasser in die Weser tragen? An der Oberweser zwischen Hannoversch-Münden und Minden ist das derzeit kein Witz. Werra und Fulda führen dem Fluss so wenig Wasser zu, dass dieser sich eher als Flüsschen durch das Bergland schlängelte – wäre da nicht die Eder. Bis zu 200 Millionen Kubikmeter hält deren Talsperre normalerweise an wässriger Verstärkung bereit. In Trockenzeiten wie diesen ist die Weser darauf dringend angewiesen. Noch vor vier Wochen etwa stammte über die Hälfte des Wassers in der Oberweser aus dem Riesen-Reservoir. Dann drehte Uwe Klemm zum ersten Mal am Hahn, der den Durchfluss durch die Staumauer reguliert. Man müsse die Vorräte strecken, begründete der Leiter des Wasser- und Schiffahrtsamtes Hannoversch-Münden den Sparschritt.

Statt 30 lässt Klemm inzwischen in jeder Sekunde nur noch 24 Kubikmeter Wasser aus der Talsperre in die untere Eder und weiter in die Weser abfließen. Deren Pegel sank prompt um zehn Prozent. Die verbleibenen 90 Zentimeter Wassertiefe, tröstet Klemm, „reichen immerhin noch für die flachen Schiffe.“

Ein schwacher Trost. Denn bleibt der große Regen aus, ist der künstliche Edersee bald nur noch zu einem Fünftel gefüllt. Spätestens in drei Wochen, hat Klemm ausgerechnet, tritt bei gegenwärtiger Wetterlage der Notfall ein. „Dann können wir der Schiffahrt kein Wasser mehr zur Verfügung stellen“, kündigt er an. Ganze sechs Kubikmeter Wasser pro Sekunde dürfen in diesem Fall noch die Staumauer passieren – die Mindestmenge, um zumindest die Fische und Pflanzen in der unteren Eder nicht zu gefährden.

Der Weser nützt das nichts. Ohne kräftigen Zustrom aus der Eder sänke das Wasser um die Hälfte auf ganze 50 Zentimeter ab. „Das wäre eine Katastrophe für den Tourismus im Weserbergland“, sagt Frank Menze, Geschäftsführer der Flotte Weser GmbH. Nicht nur die beliebten Ausflugsdampfer säßen dann mitten in der Hochsaison auf dem Trockenen. Auch die Fähren müssten ihren Betrieb einstellen. „Dann können Sie hier kniebedeckt zum anderen Ufer waten“, prophezeit der Bürgermeister der im Wesertal gelegenen Samtgemeinde Polle, Willi Bost.

Ob das so spaßig wäre, ist fraglich. Halb so viel Wasser bedeutet doppelt so hohe Wasserbelastung. „Der Verdünnungseffekt fehlt“, weiß Wasserexperte Gerd Wach vom BUND in Hannover. Fließt weniger Wasser, heizt sich der Fluss zudem schneller auf, der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt. „Das kann zum Kollaps führen“, warnt Wach. Empfindliche Fischarten wie Barbe, Uckelei und Aal wären die ersten Opfer.

Sinkt der Wasserstand in der Talsperre auf ein Zehntel ab – das war zuletzt im Sommer 1991 für drei Wochen der Fall –, haben auch die Fische in der unteren Eder das Nachsehen. Um den Stausee selbst vor dem Umkippen zu bewahren, lässt das Wasser- und Schiffahrtsamt dann nur noch so viel Wasser abfließen, wie von oben nachströmt. Derzeit ist das ein Kubikmeter pro Sekunde.

Helfen könnten allenfalls kräftige Regenfälle, entweder in den Quellgebieten von Werra und Fulda oder im 1.400 Quadratkilometer großen Einzugbereich der Edertalsperre. Ein bloßes Gewitter oder ein Sommerschauer, bremst Klemm, reiche indes nicht aus, um die Situation zu entspannen. „Es sieht schlecht aus“, prognostiziert er.

Schiffsbetreiber Menze dagegen ist optimistisch. Dass er wegen Wassermangels im Hafen bleiben muss, „dieser Fall tritt nicht ein“, ist er überzeugt: „Unsere Schiffe kommen auch bei extremen Bedingungen klar.“ Noch sei zudem ausreichend Wasser da. Und: „Es regnet bald.“