Prominent besetzt: Mark-Anthony Turnages „Scorched“ in der Musikhalle
: Jazz und Klassik kurzgeschlossen

Klassik, das klingt für die meisten nach Steifheit, Ritus und Endloswiederholungen. Gerade das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) hat nicht immer nur dafür gesorgt, dass sich an dieser Einschätzung etwas ändert. Am kommenden Sonnabend in der Musikhalle allerdings könnte es anders laufen. Denn Musiker wie der britische Komponist Mark-Anthony Turnage, der von ihm geschätzte US-Gitarrist John Scofield (Foto) und Dirigenten wie Hugh Wolff und das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt lieben es offenbar, tradierte Vorstellungen über den Haufen zu werfen.

Turnage jedenfalls, der nicht nur Töne von Strawinsky, Schönberg oder Nono kennt, ist offenbar vernarrt auch in den Jazz. Er hört darum wummernde Bässe, elektronisch verstärkte Gitarren oder den dröhnenden Beat der Schlagzeugbatterien nicht erst nach Feierabend, sondern baut sie in sein Tagwerk aktueller klassischer Orchestermusik ein.

Scorched hat Turnage das Programm und die CD genannt, mit denen Scofield und das RSO Frankfurt in diesem Sommer durchs Land touren; eine Wortschöpfung, die nicht nur „verbrannt, versengt“ bedeutet, sondern auch in den Worten „Scofield orchestrated“ steckt. Das heißt, Turnage hat Scofields Jazz-Ideen in klassische Orchestersprache übersetzt, sich kompositorisch mit ihm kurzgeschlossen.

An den Stellen, wo er Jazz aus der Klassikperspektive integriert, ist Scorched fast so gut wie Turnages, dito jazzlastiges Werk Blood on the Floor (1997). Lässt er dagegen Scofield und seine Leute zu sehr allein, wird das Ganze leicht trocken und dürftig. Ein Erlebnis ist es indes allemal, wenn die alten Geigen, Klarinetten und Fagotte zusammen mit E-Gitarre und Snare-Drum den Beat und die Synkopen entdecken. Die Tage des Klassik-Gilb scheinen gezählt, ja es ist fast, als streiche eine Ahnung von frischem Wind durchs Parkett. STEFAN SIEGERT

Sonnabend, 20 Uhr, Musikhalle