Konzentriertes Durcheinander

Auf seinem Album „Saint Dymphna“ präsentiert das exzentrische New Yorker Quartett „Gang Gang Dance“ eine faszinierende rastlose Reise über alle verschlungenen Wege jenseits der abgetretenen Pfade der Popmusik zugleich

Die Heilige Dymphna ist die Schutzpatronin aller Schlafwandler, Epileptiker, Besessenen, Verrückten und Ausgestoßenen – aber auch aller Prinzessinnen und des Familienglücks im Allgemeinen. Und wahrscheinlich wäre das New Yorker Avantgarde-Pop-Quartett „Gang Gang Dance“, das auf seinem aktuellen Album der Märtyrerin ein Denkmal setzt, noch im Mittelalter für seine Musik tatsächlich auf dem Scheiterhaufen gelandet.

Dabei haben die vier neugierigen ExzentrikerInnen, die sich bis vor kurzem mit den nicht minder offenherzigen Elektronikern von „Black Dice“ und den Avantgarde-Rockern „Animal Collective“ den Proberaum geteilt haben, ihr unbändiges Verlangen nach Vielfältigkeit und ihre musikalische Entdeckerfreude im Gegensatz zu den Vorgängern „Survival of the Shittest“ oder „God’s Money“ diesmal eingehegt. Die verschlungenen Pfade durch alle nur erdenklichen Spielarten von Rock, Elektronik und das, was man früher wohl mal Weltmusik genannt hätte, bisweilen sogar mit Geländern versehen. Und mit „First Communion“ und „House Jam“ auch für ungeübte Wanderer zwei Tore in die eigenwillige Welt der verschworenen Familie weit geöffnet.

Anstrengend ist die Wanderung durch das zunächst an vielen Stellen undurchdringlich scheinende Gestrüpp aus rasanten Percussion-Polyrhythmen und so disparat Klingendem wie Black Metal, Afrobeat, House, Arabesken, Grime oder Shoegaze ringsherum aber schon. Da bietet auch der Gesang Liz Bougatsos mitunter wenig Halt und Erwartbarkeit. Was man schließlich aber findet, ist faszinierend und jede Mühe wert. Und macht „Saint Dymphna“ für nicht wenige – und diesmal nicht nur für KritikerInnen – zum heißen Kandidaten für die Platte des Jahres.

„Gang Gang Dance ist ein Schwarm von Arbeitsbienen, die verschiedene musikalische Blüten bestäuben und neue Hybride erschaffen“, lassen die EntdeckerInnen selbst verlauten. Ob da eine Gitarre aus Brasilien oder vom Krautrock stammt, ist nicht mehr auszumachen. Aber eben auch nicht mehr wichtig.

Denn das Utopische bei „Gang Gang Dance“ ist bei allem ritualistischem Freak-out nicht die exotische Reise ins Fremde oder Neue. Sondern die Einsicht, dass alles schon hier ist. Und wir alles zugleich haben können.ROBERT MATTHIES

So, 15. 2., 21 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66