Kleines Glück im Eigentümer-Ghetto

Am Wohnungseigentum scheiden sich die Geister. Die einen sehen darin ein Mittel, der Finanzkrise Paroli zu bieten, die anderen die Vorstufe zu den Gated Communities in der Dritten Welt. Zwei Meinungen zur Frage: Sollte man in diesen Zeiten Wohnungseigentum erwerben?

pro

Klar: Wohneigentum ist der Inbegriff des Spießertums, das, was wir nie wollten und wofür wir unsere Eltern verlacht haben. Wir dachten dabei an Jägerzaun und Wegereinigungspflicht. Und mit seinem Wohnungseigentumsförderungsgesetz wollte der Staat natürlich nichts anderes, als seine Keimzelle, die bürgerliche Kleinfamilie, pampern. Aber das war früher, als es die soziale Hängematte noch gab und man keinem Politiker was glaubte. Außer Norbert Blüm, wenn er nuschelte „die Rende sin sische“.

Inzwischen glaubt man ein paar mehr Politikern was, nämlich all jenen, die sagen, ohne private Vorsorge, werde das Alter ganz bitter. Seit ein paar Jahren reden alle von Riester-Rente, Lebensversicherung oder privater Rentenversicherung. Richtig gut haben sich die gefühlt, die mehrere solcher Produkte gleichzeitig abgeschlossen haben – „Risikostreuung“ nannten sie das dann fachmännisch.

Nannten, denn das gute Gefühl ist vorbei: Die Finanzkrise kam und es stellte sich heraus, dass alle Modelle der Altersvorsorge denselben Risiken unterliegen: Wenn der Markt in die Knie geht, sinken die Renditen – und für die Ausschüttung an die Rentner bleibt weniger im Topf. Da kann es schon mal passieren, dass hinten weniger rauskommt als vorne eingezahlt wurde – selbst bei der Riester-Rente ist nicht mehr sicher, dass die Rendite größer ist als der staatliche Zuschuss. Was also tun, um der Altersarmut zu entgehen?

Wohneigentum ist die sicherste Alternative, wenn man nicht den Fehler macht, in Loser-Lagen am Stadtrand zu investieren. Innerstädtische Wohnimmobilien dagegen haben stetigen Wertzuwachs, selbst in einer alternden Gesellschaft.

Natürlich tut es ein bisschen weh, jeden Monat einen Großteil der monatlichen Zahlungen der Bank in den Rachen zu werfen – aber schlimmer als das Geld dem Vermieter zu überweisen, ist es auch nicht. Und mit einem kleinen Anteil jeden Monat dazu beizutragen, dass man im Alter zumindest ein würdiges Obdach hat, verschafft sogar eine kleine Befriedigung. Vielleicht fängt da das Spießertum an. JANK

contra

Kürzlich kam bei einer Einladung das Gespräch aufs Thema Wohnen und eine Frau Mitte Dreißig sagte den unfassbar dämlichen Satz: „Irgendwann möchte man ja im eigenen Eigentum leben.“ Und niemand kann mir erzählen, dass die Großgruppe der Wohneigentumsfetischisten merklich aufgeweckter unterwegs wäre.

Die Dame auf der Party konnte ihren Wunsch verwirklichen, weil ihr Ehemann als Werbe-Computer-Irgendwas-Gestalt das Geld bereitstellte. Aber das ist gar nicht der Punkt. Es geht nicht darum, womit man sich das Eigenheim finanziert. Es geht darum, warum man es für so außerordentlich erstrebenswert und zeitgleich für ein Menschenrecht hält. Die Eigentümler sind die Verkörperung einer Zeit, der Sicherheit alles ist. Und die dafür bereit sind, alles, was Veränderung bedeuten könnte, auszuschließen.

Natürlich kann man Eigentumswohnungen wieder verkaufen. Es tut nur niemand. Nicht in Deutschland. Statt dessen richtet man sich in etwas ein, was die Hamburg-Berlin-München Vorstufe zu den Sicherheits-Ghettos in Südafrika ist. Wer eine Eigentumswohnung kauft, kauft ja die beruhigende Nachbarschaft der eigenen Klone gleich mit. Wenn die Rechnung einigermaßen aufgehen soll, sind die Alt-Mieter ja bereits erfolgreich herausgekehrt. Die neuen Eigentümler-Nachbarn in Ottensen, Schwabing und Prenzlauer Berg werden ähnlich viel verdienen, wie man selbst. Sie wählen die gleiche Partei und der Manufactum-Schrank steht an der gleichen Stelle wie in der eigenen Wohnung. Und später, wenn zur perfekten Wohnung das perfekte Kind tritt, wird der nachbarliche Nachwuchs die geeignete Gesellschaft sein.

Aber, werden die Milden jetzt sagen, warum nicht die Eigentümler friedlich in ihren Eigentümler-Ghettos lassen? Ganz einfach: Weil sie, in Verbindung mit verblendeten Stadtentwicklern und entfesselten Maklern, den Nicht-Eigentümlern das Wasser abgraben. GRÄ