Außer Haus ist besser

Das Deutsche Theater musste sechs Monate lang sanierungsbedingt anderswo gastieren – auf der grünen Wiese, anderen Bühnen und im Berghain. Das hat ihm nicht geschadet. Frischer Wind kam auf, die Zuschauer in Scharen

Heute wurden die Sanierungsarbeiten im Deutschen Theater offiziell abgeschlossen, und das Haus wurde in einem kleinen symbolischen Akt von den Baufirmen wieder an die Techniker des Deutschen Theaters übergeben. Am Montag beginnen dann die Endproben zu Karin Henkels Inszenierung von Christopher Hamptons „Gefährlichen Liebschaften“ nach dem Briefroman von Choderlos de Laclos. Mit ihr wird das Deutsche Theater am 28. Februar nach über sechs Monaten Bauzeit wiedereröffnet werden.

So lange gastierte das Theater in einem Zelt, auf anderen Bühnen und in einem Technoclub. Nicht zwingend eine Idealvoraussetzung, um die Identität eines Theaters zu wahren oder gar zu festigen. Zumal wenn das Theater auch noch zwischen zwei Intendanzen schwebt. Bernd Wilms verließ das Haus am Ende der letzten, Ulrich Khuon kommt erst Anfang der nächsten Spielzeit ans Deutsche Theater, das interimsweise von Oliver Reese geleitet wird.

Doch bald zeichnete sich ab, was man schon im Herbst in Michael Thalheims schlammiger Inszenierung von Shakespeares „Was ihr wollt“ im Theaterzelt beobachten konnte, das als Ersatzspielstätte auf der anderen Straßenseite aufgebaut worden war: dass ein bisschen Frischluft und Tapetenwechsel einer altehrwürdigen Stätte wie dem Deutschen Theater nämlich nicht zwingend schaden muss. Wie schon Thalheimers lustvoll schmatzender Matsch-Shakespeare im Zelt, der im Vergleich zu seinen erdschweren und meist gänzlich ironiefreien Indoor-Inszenierungen geradezu befreiend wirkte, vermittelte auch Barrie Koskys Inszenierung von August Strindbergs „Traumspiel“ im Ausweichquartier einen ganz neuen Theatergeschmack.

Ursprünglich hatte die Inszenierung das Deutsche Theater am 5. Dezember 2008 wiedereröffnen sollen. Doch dann war im Zuge der Sanierung Asbest gefunden worden, was die Bauphase verlängerte und die Eröffnung um ein weiteres Vierteljahr verzögerte. Als Ersatzspielort wurde der als leicht verrucht beleumundete Technoclub Berghain am Ostbahnhof gefunden, wo dann Koskys Strindberg, von der Barockformation Vocal Consort Berlin musikalisch begleitet, auf einen höchst fruchtbaren Boden fiel. Der eher maue Abend entwickelte in dem finster-monumentalen Bau des Berghain einen suggestiven Sog, der ihn gerettet hat. Das plüschig-saturierte DT-Ambiente hätte ihm vermutlich den Garaus gemacht.

Eine Rekordauslastung verbuchen konnten auch die Vorstellungen des laufenden Repertoires, die aus dem gold-rot-weißen Belle-Epoque-Schmuckkästchen in Mitte nach Wilmersdorf gezogen waren: In den sachlich-kühlen Beton-Glas-Bau, den Fritz Bornemann in den 60er-Jahren für den Westberliner Ableger der Freien Volksbühne in Wilmersdorf gebaut hatte, als das Stammhaus am Rosa-Luxemburg-Platz nach dem Mauerbau unerreichbar geworden war. In der alten Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz schließlich fand die letzte Außer-Haus-Premiere des Deutschen Theaters vor seiner Rückkehr in die Schumannstraße statt: Jürgen Goschs Inszenierung „Die Möwe“, ebenfalls ein Triumph und sofort zum Theatertreffen eingeladen.

Als Nächstes wird die Volksbühne sanierungsbedingt bis November dichtgemacht, wo man am 7. und 8. März noch mal kräftig Abschied feiert. Castorfs Inszenierung des Musicals „Hans im Glück“ von und mit der Gruppe Pankow hat am 15. März schon im Kino Babylon Premiere. Danach wird auch auf dem Rosa-Luxemburg-Platz ein Freilufttheater aufgebaut. Und Berlins nächste altehrwürdige Theaterinstanz hoffentlich gründlich durchgelüftet. ESTHER SLEVOGT