Ruhrgebiet baut auf Wohltäter

Weil die Stadtkassen leer sind, hofft das Ruhrgebiet auf private Stifter. Verglichen mit anderen Bundesländern engagieren sich die Wohlhabenden in NRW jedoch nur wenig für das Gemeinwesen

AUS GELSENKIRCHENKLAUS JANSEN

Den Wortwitz zur Begrüßung konnte sich Oliver Wittke nicht sparen: „Wer stiftet der bleibt. Stiften ist also das genaue Gegenteil von stiften gehen“, kalauerte Gelsenkirchens CDU-Oberbürgermeister zum Auftakt des „1. Stiftungstag Ruhrgebiet“ im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. Wittke setzt auf das Bleiben, und auf das Stiften: In Zeiten leerer öffentlicher Kassen gelte es, wohlhabende Bürger an die Region zu binden – finanziell und mit eherenamtlichen Engagement.

Die wohlmeinende PR für das Stiftungswesen im Revier tut not: Trotz vereinfachter Genehmigungsverfahren ist Nordrhein-Westfalen mit 12 registrierten Stiftungen auf 100.000 Einwohner Vorletzter im Vergleich der Bundesländer, das Ruhrgebiet liegt landesintern sogar noch weit hinter Ostwestfalen zurück. Wittkes Begründung für das schlechte Abschneiden: „Die starken Großkonzerne im Ruhrgebiet haben für einer Rundum-Sorglos-Mentalität gesorgt. Die Betriebe haben sich von Ferienwerken bis Sterbekassen um alles gekümmert, das hat die Eigeninitiative gebremst.“

Eigeninitiative, das hören die Stifter gerne. Doch eine moralische Verpflichtung oder politischen Zwang zur Wohltätigkeit wollen sie nicht akzeptieren. „Jeder kann sein Vermögen versaufen, durchbringen oder eben stiften, wenn er will“, sagte Freiherr Axel von Campenhausen, bis zum Jahr 2002 noch Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Stiftungen. Der Tonfall des Aristokraten erinnerte an Loriot, seine Botschaft sollte wohl ironisch klingen: „Es ist eine scheußliche sozialistische Sicht, dass der olle Kapitalist etwas aus seinem Vermögen abgeben muss“, sagte er. Und: „So etwas ist nicht nur ein Zeichen schlechter Erziehung, sondern auch eine große Dummheit.“

Die Ruhrgebietspolitiker glauben dennoch an den guten Willen der Wohlhabenden: „Die Region kann es sich nicht leisten, auf die Ideen und Phantasien seiner Bürger zu verzichten,“ sagte Gerd Willamowski, Verbandsdirektor des Kommunalverbands Ruhrgebiet (KVR). Wohl auch nicht verzichten will er auf das Geld der Stifter: „Natürlich entlastet freiwilliges Engagement den Staat von finanziellen Lasten,“ sagte Willamowski. Es gelte, eine Balance zwischen staatlicher Fürsorge und Eigenverantwortung zu finden. Der Stiftungstag sei in der Lage, gemeinnütziges Engagement aufzuwerten und ein regionales Stifternetzwerk aufzubauen, hofft er.

Das Interesse für das Stiftungswesen scheint vorhanden: Immerhin rund 40 regionale Stiftungen präsentierten sich in Gelsenkirchen. Unter den Ausstellern zeigten sich nicht nur die Nachlassverwalter des alten Industrieadels wie Krupp und Thyssen, sondern auch kleinere Initiativen, auf der Suche nach Unterstützung für Sozialprojekte, Windräder, die Sanierung von Industriedenkmälern und homöopathische Medizin. Oder für Namibia: Auf einem kleinen Tisch präsentierte ein Ehepaar aus Marl Holzelefanten und -giraffen zum Verkauf, „echte Handarbeit der Buschmänner“. Einen Kindergarten und einen Schulgarten haben Gero und Monika Julius so schon finanziert. Das Stiftungsmodell sei effektiv, findet Gero Julius: „Wenn wir das Geld der Kirche spenden, ziehen die fünf bis zehn Prozent Verwaltungskosten ab. Außerdem kann ich dann nicht selbst bestimmen, welche Projekte ich fördern möchte.“

Geld für Namibia allerdings wird dem Ruhrgebiet nicht weiter helfen, das weiß auch Oberbürgermeister Wittke. Deshalb will er weiter die PR-Trommel drehen: Für das kommende Jahr hat er bereits einen zweiten Stiftungstag angekündigt.