Hollerland – Brüssel: weit weg

Das Feuchtgebiet ist voller seltener Schlammpeitzger – das ist jetzt amtlich. Dennoch hofft der Umweltsenator, dass er es nicht bei der EU als Schutzgebiet anmelden muss

Bremen taz ■ Im Streit um die Unterschutzstellung des Bremer Hollerlands hofft Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU) weiter auf Nachsicht der EU. Es sei nicht völlig ausgeschlossen, dass Bremen um eine Anmeldung des vorderen Teil des Feuchtgebiets herumkomme – trotz der dort lebenden geschützten Fischarten, sagte Eckhoff der taz. Vor kurzem hatte er deswegen persönlich bei der Brüsseler Naturschutzbehörde vorgesprochen.

Seit Jahren bestehen die EU-Beamten darauf, das Feuchtgebiet komplett als europäisches Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet) anzumelden. Grund ist seine herausragende Bedeutung als Lebensraum für bedrohte Arten, insbesondere für zwei seltene Fische: Steinbeißer und Schlammpeitzger. SPD und CDU hatten sich davon unbeeindruckt in ihren Koalitionsverhandlungen vor gut einem Jahr darauf geeinigt, den vorderen Teil des Feuchtgebiets als Erweiterungsfläche für den Technologiepark zu reservieren.

Nach dem letzten bösen Brief aus Brüssel hatte Eckhoff extra eine neue Fischzählung in Auftrag gegeben (taz berichtete), von der er die FFH-Anmeldung abhängig machen wollte. Diese Erhebung ist inzwischen offiziell ausgewertet. Das Ergebnis im Groben: geschützte Fische in Hülle und Fülle. Und im Gegensatz zum Steinbeißer, das ist jetzt amtlich, siedelt der Schlammpeitzger auch im vorderen Teil des Hollerlands in nennenswertem Umfang. „Der Steinbeißer hält sich an den Koalitionsvertrag, der Schlammpeitzger nicht“, witzelt Eckhoff.

Bei strenger Auslegung der FFH-Richtlinie müsste Eckhoff jetzt – wie es Umweltverbänden seit Jahren fordern – das ganze Gebiet ohne Wenn und Aber unter EU-Naturschutz stellen. In bestimmten Fällen jedoch, so der Eindruck des Umweltsenators nach seiner Stippvisite in Brüssel, drückten selbst die EU-Beamten ein Auge zu. So habe etwa Rotterdam sechs Flussmündungen unter Schutz gestellt, die siebte – die Hafenzufahrt – aber nicht. Die EU habe das akzeptiert. Das könnte für Bremen bedeuten: Wenn sich noch außerhalb des Hollerlands Schlammpeitzger-Populationen fänden, könnte man diese Gebiete statt des vorderen Hollerlands nach Brüssel melden – und damit den Koalitionsvertrag retten. sim