EIN EUROPÄISCHES VORSTRAFENREGISTER IST ÜBERFLÜSSIG
: Nutze deinen Nachbarn

Nach Verbüßung seiner Haft geht der Straftäter in ein anderes Land und fängt ganz von vorne an. Eine sympathische Vorstellung, wenn der neue Lebensweg ohne die Schädigung anderer verläuft. Wenn jedoch ein vorbestrafter Vergewaltiger wie Michel Fourniret wohl auch deshalb von Frankreich nach Belgien zieht, um seine Jagdzüge auf junge Frauen nun als unbescholtener Bürger fortzusetzen, dann erscheint die Forderung nach einem EU-weiten Vorstrafenregister plausibel. Gerade bei Serien- und Rückfalltätern ist eine effiziente Strafverfolgung zugleich auch notwendiger Opferschutz.

Dennoch will Justizministerin Zypries bei der heutigen Tagung des EU-Ministerrats eine solche zentrale Datei ablehnen. Und sie hat aus ganz pragmatischen Gründen Recht. Denn die Daten über Vorstrafen sind bereits da: Jeder Staat hat ein entsprechendes Register, das bereits seit 40 Jahren grenzüberschreitend von den Staatsanwaltschaften abgefragt werden kann. Diese Möglichkeit muss nur genutzt werden. Wer heute nicht im Heimatland eines Verdächtigen nachfragt, würde morgen auch kein zentrales EU-Register bemühen. Der Aufbau eines EU-weiten Registers würde zudem vermutlich jahrelange Verhandlungen erfordern. Sollen wirklich alle nationalen Daten an das zentrale Register weitergemeldet werden? Gelten dort auch die national sehr differierenden Löschungsfristen oder müssen diese – auf hohem oder niedrigem Niveau – harmonisiert werden?

Es liegt näher, den Zugriff auf die bestehenden Register zu beschleunigen, indem die Online-Abfrage ermöglicht wird, wie dies innerhalb Deutschlands heute schon üblich ist. Ab Ende des Jahres wollen Frankreich, Spanien und die Bundesrepublik dies grenzüberschreitend erproben. Doch eine Effizienzrevolution ist auch davon nicht zu erwarten. Anfragen in Nachbarstaaten werden heute meist in einer Woche erledigt. Auf dem Postweg. In dringenden Fällen steht das Fax zur Verfügung.

Der Fall Fourniret ist schlimm, der Stand der EU-Justizzusammenarbeit ist es aber nicht. Die Politik sollte sich hüten, das Projekt Europa unnötig als Gefahrenquelle zu brandmarken. CHRISTIAN RATH