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: Die Mehrheit stützt Arafat

Seit Monaten warnen die Reformisten innerhalb der palästinensischen Führung vor einem Chaos im Autonomiegebiet und drängen zu Maßnahmen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Dass Palästinenserpräsident Jassir Arafat nicht hören wollte, scheint ihn nun bös zu erwischen. Augenscheinlich. Der erste offensive Versuch, Arafats Alleinherrschaft infrage zu stellen, wird zumindest auf kurze Sicht keine Früchte tragen.

Kommentar von SUSANNE KNAUL

Einige tausend Demonstranten, die es endlich wagen, mit offener Kritik und gar mit Gewalt gegen Arafats Institutionen vorzugehen, sind zwar nicht zu missachten. Dennoch: Die Mehrheit des palästinensischen Volkes im Autonomiegebiet stützt unverändert den alternden PLO-Chef. Sentimentalität und vielleicht nationaler Stolz, sicher aber auch schlicht der Mangel an Alternativen bewegt sie dazu.

Ob die jungen palästinensischen Rebellen sehr viel weiter gehen als bisher, ist nicht zuletzt deshalb unwahrscheinlich, da es keinen zentralen Kommandanten gibt. Niemand will die Verantwortung für die Entführungen und die Demonstrationen übernehmen. Damit besteht auch keine Möglichkeit einer politischen Lösung – denn wer sollte verhandeln? Dass es niemanden gibt, der sich in den vergangenen Jahren profilieren konnte, ist Ergebnis der Chaos-Strategie Arafats. Diese Strategie zahlt sich nun für ihn aus.

Kaum jemand, vor allem nicht die Palästinenser im Autonomiegebiet selbst, wünscht sich bürgerkriegsähnliche Zustände. Es wäre das Letzte, was dieses Volk jetzt braucht – und es wäre zudem vollkommen überflüssig, denn auch die sentimentalen Anhänger Arafats sind der Korruption so überdrüssig wie die tausenden Palästinenser, die in diesen Tagen die Straßen von Gaza bevölkern.

Eine klare Neuordnung der palästinensischen Sicherheitsdienste und möglicherweise ein Zusammengehen mit Mohammed Dahlan, dem früheren Sicherheitschef, dem Stimmen sowohl im Gaza-Streifen als auch in Israel die Entführungen und Demonstrationen anhängen, könnten dem gefährlichen Chaos ein schnelles Ende machen. Die Konzentration der Sicherheitsdienste in drei Abteilungen, die Arafat noch am Wochenende einleitete, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Ein Schritt, der allerdings keinen Sinn macht, solange die zentrale Kontrolle weiter dem palästinensischen Nationalen Sicherheitsrat untersteht. Denn den kommandiert allein der Palästinenserpräsident.