Eine Emscher-Lippe riskiert

Eine Region. Eine Talkshow. Ein Moderator. 500 Zuschauer. Thema: Die Zukunft des Ruhrgebiets. Es treten auf: Fast alle Sozialdemokraten, die NRW zu bieten hat. Und Oliver Wittke, Gelsenkirchens OB

AUS GELSENKIRCHENKLAUS JANSEN UND
MARTIN TEIGELER*

Wolfram Kuschke (SPD): Wir sitzen hier zusammen, um gemeinsam Verabredungen für konkretes Handeln zu treffen. Um Signale fürs Ruhrgebiet zu setzen.

Peer Steinbrück (SPD, auf dem Podium, staatsmännisch): Wir wollen Weichen stellen. Ein Verfahren beschließen für weiteres Vorgehen. Dabei geht es nicht um Masse. Wir müssen Leute zusammenbringen, moderieren, keine teuren Milliardenprogramme auflegen, keine Gießkanne mit zweifelhaften Effekten. Die Politik ist ein Dienstleister. Das ist ein neues Staatsverständnis. Überhaupt halte ich gar nichts davon, alles schlecht zu reden. Das Ruhrgebiet ist besser, als es manche Akteure der Region darstellen. Wir müssen optimistischer sein. Wir sind zu sehr ins Scheitern verliebt! Wenn wir hier ein Signal für Optimismus setzen, ist das mehr wert als ein Förderprogramm. Geld allein ersetzt nicht die Kraft und die mentale Einstellung.

Jürgen Zurheide (Moderator): Danke, Herr Steinbrück. Als nächster Gast bitte Wolfgang Clement. Herr Clement, erzählen Sie mal, wie geht‘s der Konjunktur?

Wolfgang Clement (SPD, zuerst zu spät, dann zunächst mit guter mentaler Einstellung):

Die Konjunktur erholt sich. Die Stimmung ist schlechter als die Situation. Aber wir müssen was tun. Steuern runter, Abgaben runter, Bürokratie runter, Bildung rauf. Bürokratieabbau brauchen wir auch. Das ist Häuserkampf. Wir müssen die Honorarordnungen für freie Berufe deregulieren. Und den Ausbildungspakt einlösen.

Zurheide: Hartz IV?

Clement (kompromisslos): Ist alternativlos.

Zurheide (nähert sich vorsichtig dem Thema Ruhrgebiet): Und die Ziel-II-Mittel aus Brüssel?

Clement: Alle Förderung muss endlich sein. Aber natürlich brauchen wir Förderung. Auch ab 2006. Entweder von der EU, oder national vom Bund.

Zurheide (in medias res): Gut, Herr Clement. Als nächstes bitte Herr Stolpe. Was haben Sie fürs Ruhrgebiet?

Stolpe (SPD, dösig, muss aber auch was sagen): Ja, ich habe was. Ich werde nachher mit Herrn Vesper eine Verwaltungsvereinbarung für den Stadtumbau West unterzeichnen. Da hat das Land dann verbindliche Ansprüche. Das ist gut für das Ruhrgebiet. Die A 52 in Essen bauen wir auch aus. Und die A 2 wird sechsspurig. Und Schalke kriegt eine neue Autobahnauffahrt. Und für den Rhein-Ruhr-Express haben wir auch eine optimale Lösung. Moderner und schneller.

Zurheide: Herr Wittke hatte versprochen, alles mitzuschreiben, was der Region hilft. Herr Wittke, wie sieht ihr Zettel aus?

Oliver Wittke (CDU, mit traurigen Rehaugen): Ist ziemlich leer. Ist ja nicht viel Neues dabei gewesen. Und ohne Geld werden wir den Strukturwandel nicht hinkriegen, das kann ich Ihnen nicht ersparen, Herr Steinbrück. Was ist mit dem Referenzkraftwerk? Was ist mit der Fachhochschule? Dem Fußballmuseum? Wo ist die große Kugel, die Schartau in die Region rollen wollte?Harald Schartau (SPD, im Plenum, steht genervt auf): Wir laden doch nicht 500 Leute ein, um über 100.000 Euro für ein Sportmuseum zu entscheiden. Eine Projektliste ist keine große Kugel.

Wittke: Gibt uns doch Geld und lasst uns entscheiden, was wir machen wollen.

Klaus Bechtel (SPD, bald in Rente): Warum können wir keine 50-Jährigen gegen Honorar in Schulen arbeiten lassen?

Steinbrück (angesäuert): Wir geben erheblich mehr Geld für Ganztagsschulen aus. Das Geld ist da. Wenn ihr wollt, dann macht. Ich sage nur: Just do it!

Bechtel: Aber dann müssen wir die Spielregeln ändern!

Steinbrück: Irrtum! Einspruch, Euer Ehren! Mach et doch! Es macht doch keinen Sinn, hier einen Überbietungswettbewerb zu veranstalten. Wir müssen uns an den Finanzierungshorizont halten.

Wittke: Also eigentlich hatte ich schon erwartet, dass es hier Geld gibt. Kuschke hat mir versprochen, konkrete Aussagen über alle von uns geplanten Projekte zu machen.

Clement (mittlerweile schlecht gelaunt wie immer): Ich bin nicht hier, um Projekte zu entscheiden. Mir ist das zu kleinteilig. Das ist oftmals Parteipolitik.

Eine Recklinghäuser Kreistagsabgeordnete (im Plenum): Also eigentlich bin ich hier, um über die Emscher-Lippe-Region zu reden. Aber das ist eine SPD-Veranstaltung hier. Ich gehe doch auch nicht auf einen Parteitag. Was Clement und Steinbrück hier sagen, ist überheblich.

Steinbrück (wütend): Ich bin nicht überheblich! Jetzt passen Sie mal auf, es ist ja nicht so, als würden wir nichts tun. Das lasse ich Ihnen vom Herrn Brauser von der Projekt Ruhr ausrechnen. Ich bin auch schon ein paar Jahre in dem Job. Ist ja nicht so, als säßen hier nur Newcomer.

Wittke (gibt nicht auf): Trotzdem hätte ich mehr erwartet. Die Ergebnisse sind dürftig, wir haben keine Zeit. Es fehlen 1,9 Millionen Euro für das Fußballmuseum. Das soll 2006 fertig sein!

Steinbrück (verständnislos): Was ist jetzt wichtig für eine Industrieregion? Ein Fußballmuseum? Oder nicht vielleicht doch Mittelstandsförderung?

Michael Vesper (schlichtend): Herr Wittke, warten sie doch erstmal die Workshops ab....

Wittke (leise zu einem Journalisten): Da kommt doch sowieso nichts bei rum. Schreiben sie das nicht, das hab ich nicht gesagt.

* Es gilt das gehörte Wort