Elixier des L(i)ebens

Den im Luftentfeuchter gefangenen Schweiß von Hochzeitspaaren will das Standesamt Bremerhaven verkaufen. Aus dem Erlös soll ein neuer Trautisch finanziert werden

Bremen taz ■ Schon mal an einem Hochzeitspaar geschnüffelt? Diese erregten Ausdünstungen des Glücks! Bremerhavens Standesamtsleiter Martin Kirchhoff erlebt das jeden Tag: „Wenn ich sechs Trauungen hintereinander leite, hat das eine ähnliche Wirkung wie der Genuss der gleichen Anzahl Gläser voller Champagner. Ich bin dann richtig gut drauf.“ Das sollen jetzt auch alle Heiratsmuffel erleben dürfen. Im Internet hat Kirchhoff 100 Reagenzgläser mit Korken ersteigert. Dort hinein füllt er das „Elixier des L(i)ebens“ und will es ab 22. Juli für zehn Euro pro Glas verkaufen – versehen mit einem Echtheitszertifikat.

Nach zehn halbstündigen Eheschließungen mit 20 Gästen seien schon mal fünf Liter der Transpirationsflüssigkeit aus dem elektrischen Luftentfeuchter zu ernten, hat Kirchhoff festgestellt. Die Fenster des Trauzimmers könne er halt nur in Trau-Pausen öffnen, da die darunter liegende Hafenstraße zu lärmig sei. „Ständig riecht es daher muffig bei uns“, sagt der Standesbeamte. Der Gipsstuck des denkmalgeschützten Gebäudes speichere vier Liter Kondenswasser pro Quadratmeter, so dass bereits der Farbauftrag abbröckele.

Noch viel dringlicher zu beheben aber sei ein ästhetisches Problem. Kirchhoff: „In unserem Gründerzeit-Gebäude aus dem Jahr 1879 steht ein klobiger Nussbaum-Trautisch, typisch 50er-Jahre-Thekenstil. Hätte man einen Klodeckel genommen, er wäre nicht unpassender.“ Außerdem seien die Gardinen vor zwei Jahren zuletzt gewaschen worden. Bei jedem weiteren Reinigungsversuch würden sie sich in ihre Bestandteile auflösen. „Aber Geld, um diese Misstände zu beseitigen, rückt die Stadt aufgrund der schlechten Finanzsituation nicht heraus“, bestätigt Stadtrat Jürgen Milchert, der die „Elixier“-Aktion unterstützt.

Wie ihm der Zaubertrunk schmeckt? „Es ist halt destilliertes, also geschmacksneutrales Wasser.“ Man könne es genauso gut auch in die Autobatterie einfüllen. Milchert: „Genau wie Weihwasser ist unser Wasser aber auch mehr als H2O, nämlich Informationsträger all der positiven Hochzeitsstimmungen und Transportmittel der Liebessubstanzen.“ Man könne es in zerstäubter Form als Parfüm benutzen, aber auch in kleinen Schlucken genießen. „Anschließend fühle ich mich harmonischer, meine Töchter macht es friedfertiger“, erklärt Milchert.

Auch mit einer aphrodisiakischen Wirkung soll das „Elixier“ in limitierten Sonderauflagen herauskommen. Das Kondensationswässerchen kommt dann mit den originalen Schweißmolekülen von sexy Menschen in den Verkauf. TV-Jüngling Oliver Tienken hat seinen Besuch im Trauzimmer bereits zugesagt, um dort kurz und anständig zu schwitzen, damit seine Teenie-Fans möglichst viel von ihm abbekommen.

Weiteres Standesamt-Projekt zur Steigerung der Eigeneinnahmen: Feierliche Scheidungen, inklusive Einschmelzen der Eheringe und Aussagen der Scheidungszeugen. „Ein Ritual als Schlussstrich einer Lebensphase ist doch besser, als die Trennung in Häme unter sich auszumachzen“, so Milchert. Kostenpunkt: 40 Euro. Da Juristen damit aber mindestens 3.000 Euro verdienen würden, sei das Konzept bisher am Widerspruch der Rechtsanwaltskammer gescheitert.

Jens Fischer