„Angestellte könnten einfacher klagen“

DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer meint, das Antidiskriminierungsgesetz könnte dazu beitragen, dass Gewerkschaften intensiver daran arbeiten, Benachteiligungen in den Tarifverträgen abzubauen. Das Beste, findet sie, wäre ein Verbandsklagerecht

taz: Frau Engelen-Kefer, die Gewerkschaften protestieren gern und häufig, aber die alltägliche Diskriminierung scheint Sie nicht zu interessieren. Warum hört man zum Antidiskriminierungsgesetz so wenig vom DGB?

Ursula Engelen-Kefer: Wir kümmern uns durchaus um dieses Gesetz. Aber die Tagespolitik zwingt uns zu anderen Prioritäten: Die soziale Sicherung oder die Sicherung von Arbeitsplätzen etwa. Doch wir unterschätzen das Thema nicht: Die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes hängt zum Beispiel eng zusammen mit der Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern, Ausländern oder gering Qualifizierten. Die verlieren ihn nämlich zuerst. Und auch Mobbing kann eine Diskriminierung sein. Diese Graubereiche kann das Gesetz aufhellen. Aber das Thema ist leider in der Öffentlichkeit nicht angekommen.

Was nützt so ein Gesetz dem Durchschnittsarbeiter?

Eine ganze Menge. Ein Beispiel: Wenn man meint, man verdiene weniger als vergleichbare Mitarbeiter, dann muss man das bisher selbst beweisen. Nach dem Gesetz müsste man es zwar auch noch glaubhaft machen, aber dann muss der Arbeitgeber nachweisen, dass das nicht stimmt. Damit hätten wir bei Klagen, bei denen der DGB Rechtsschutz gewährt, bessere Chancen.

Sie sprechen von Rechtsschutz für Einzelpersonen. Ein unabhängiges Klagerecht für Gewerkschaften fordern Sie nicht mehr – was verhindern würde, dass der Einzelne auf dem Präsentierteller sitzt?

Das wäre natürlich das Beste. Wir wissen, dass Mitarbeiter von Firmen in der Regel nicht wagen, gegen ihre Ungleichbehandlung zu klagen, weil sie danach stigmatisiert sind oder sogar den Arbeitsplatz verlieren können. Gerade wenn es um strukturelle Probleme geht, wäre eine Klagemöglichkeit für Verbände sehr sinnvoll. Wenn also Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge diskriminierende Elemente enthalten. Oder wenn ausländische Mitarbeiter generell schlechter eingestuft werden als inländische. Wir werden wohl etwas bekommen, das zwischen der individuellen Klage und der Verbandsklage liegt, das ist die so genannte Prozess-Standschaft: Der Verband kann zusammen mit der betroffenen Person klagen.

Aber die Person ist dann immer noch stigmatisiert. Das ist doch kein Fortschritt.

Doch. Wenn ein Verband mit dem Individuum als Kläger auftritt, dann kann man leichter verdeutlichen, dass es nicht um ein individuelles Problem geht, sondern um ein strukturelles. Aber natürlich ist uns ein unabhängiges Klagerecht für Verbände lieber. Schließlich gibt es die im Bereich der Schwerbehinderten auch.

Das neue Gesetz definiert auch indirekte Diskriminierung. Nützt das etwas?

Aber ja. Direkte Diskriminierungen nach dem Motto „Frauen oder Ausländer bekommen für die gleiche Arbeit weniger Geld“ sind ja längst verboten. Aber oft machen Arbeitgeber etwa bei Einstellungen nach außen hin formale Gründe geltend, etwa eine Qualifikation, die man für die Arbeit gar nicht braucht. Wenn man dann – ich übertreibe etwas – von einem Lagerarbeiter „akzentfreies Deutsch“ verlangt, ist das eine indirekte Diskriminierung. Auch bei der Bewertung von Berufen, die eher von Frauen ausgeübt werden, gibt es diese Diskriminierungen. Da werden Belastungen in Frauenberufen oft gar nicht bewertet, weil das Bewertungsschema von Männern gemacht wurde.

So etwas hätten die Gewerkschaften doch selbst aus den Tarifverträgen tilgen können.

Aber wir sind doch schon dabei. Nur: Das ist ein langwieriger Prozess.

Das heißt, Sie brauchen das Gesetz auch für den Kampf innerhalb der Gewerkschaften?

Der DGB hat diesen Tatbestand schon lange aufgegriffen. Die Gewerkschaften berücksichtigen das unterschiedlich intensiv. Wenn ein Gesetz ihnen dabei hilft, ist das sicher sinnvoll.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH