Tödlich kranker Maleraffe soll hinter Gitter

Jörg Immendorff hat vor dem Düsseldorfer Landgericht ein umfassendes Geständnis abgelegt. Der todkranke Malerfürst will nur eine „erotische Inszenierung“ geplant haben. Dennoch droht ihm wegen Drogenbesitz Gefängnis

Düsseldorf taz ■ Das Leben im Café Deutschland ist nicht einfach. Nach der Wiedervereinigung ist es für den Maler und Kunstprofessor Jörg Immendorff (59) nicht besser geworden. Sein Hauptsujet brach weg, die Gesundheit schwand – der Künstler griff zum Kokain. Vor rund einem Jahr wurde er dann aufgrund eines anonymen Schreibens an die Polizei in einem Düsseldorfer Hotel während einer Drogen- und Sex-Orgie erwischt und verhaftet. Gestern begann der Prozess vor dem Landgericht in der Landeshauptstadt.

Von Immendorffs „Lebensgier“, wie er seinen Lebenswandel einmal definiert hat, ist nichts mehr zu spüren. Der vorsitzende Richter Jochen Schuster hat vor sich einen gebrochenen Menschen, der von der unheilbaren Nervenkrankheit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) gezeichnet ist, sich nur mühsam bewegen kann und zusätzlich voll geständig ist. Sein Verteidiger verlas eine Erklärung des Kunstprofessors, in dem alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bestätigt werden. Immendorff bedaure sein Fehlverhalten. „Ich habe niemals in der Akademie Kokain geschnupft“, sagt er im weiteren Verlauf der Verhandlung. Richter Schuster nimmt ihn trotzdem in die Mangel. „Haben Sie gedient?“ – Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit einer Orgie, die der Künstler als „erotische Inszenierung“ gesehen haben will. Luxus-Suite, 21,6 Gramm Kokain, reichlich Alkohol, neun Prostituierte und Pornofilme im Fernsehen. Damit habe er seine sexuellen Phantasien ausgelebt und versucht seine Lebensgier zu befriedigen, sagt der international renommierte Künstler, dessen Alter Ego auf seinen Bildern ein Maleraffe ist, ein animalischer Gegenpol zu Immendorffs intellektueller Auseinandersetzung mit der Gesellschaft im Nachkriegs-Deutschland. Bekannt wurde der Josef Beuys-Schüler durch seine 16-teilige Serie „Café Deutschland“ in der er als einer der wenigen Künstler in Deutschland bereits in den 1970er Jahren die Teilung des Landes zum künstlerischen Dauerthema machte.

Ein Gutachter hat am ersten Prozesstag die tödliche Erkrankung von Jörg Immendorff bestätigt. „An der Diagnose ALS im fortgeschrittenen Stadium besteht kein Zweifel“, sagt der Neurologe Johannes-Richard Jörg. Irgendwann werde die Atemmuskulatur versagen. Daraufhin wurde der Prozess auf Bitten des Künstlers unterbrochen, der seit Jahren unter Panikattacken leidet: „Die Vorstellung sehr bald zu ersticken hat bei mir extreme Angst ausgelöst“ Damit habe sich auch sein Verhältnis zum Kokain geändert, dass er vorher eher sporadisch in Düsseldorfern Szenekneipen konsumiert habe, entschuldigt sich Immendorff. Dem Professor der Düsseldorfer Kunstakademie und Träger des höchstdotierten Kunstpreises der Welt droht bei der Urteilsverkündung Ende August mindestens ein Jahr Haft. Die Höhe des Strafmaßes ist durch die Menge des gefundenen Kokains vorgegeben. Dann würde er automatisch Lehrstuhl und Pension verlieren. Studentenaktionen vor dem Landgericht fanden nicht statt, Immendorff muss auf mildernde Umstände hoffen.

PETER ORTMANN