Migranten umwerben qualifizierten Nachwuchs

Bildungsministerin appelliert auf Aktionstag im Kölner Arbeitsamt an „Unternehmer mit Migrationshintergrund“, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Diese Firmen haben zwar freie Stellen, vermissen aber qualifizierte Bewerber

KÖLN taz ■ Eine Gruppe Kaugummi kauender Jugendlicher verfolgt gespannt die schnellen Handbewegungen des dunkelhaarigen Mannes mit der schwarzen Arbeiterhose. Dachdeckermeister Michael Solito sitzt vor einem Amboss und kloppt mit einem Hammer auf eine graue Schieferplatte. Mit gekonnten Schlägen formt er ein Herz und gibt es einem Jungen, der noch kurz zuvor selber an dem Amboss gesessen hatte. Als ein Mädchen in bauchfreiem Top lautstark ebenfalls ein Herz einfordert, sagt er in bestem Rheinländisch: „Dann musst du et auch mal probieren. Von Nix kommt nix.“ Das Mädchen dreht sich, „nee, dann nich“, um und geht.

Solito, der einen eigenen Betrieb führt, ist Vertreter der Dachdeckerinnung Köln. Zusammen mit rund 20 Ausstellern präsentierte er gestern auf dem Aktionstag „Migranten bilden aus“ im Kölner Arbeitsamt sein Unternehmen. Zwischen den Pappaufstellern mit Meerblickfotos vom „Verband kroatischer Hoteliers“, Druckvorlagen vom türkischen „Önel Verlag“ und weiteren Firmenpräsentationen drängten sich etwa hundert Jugendliche, um sich über Ausbildungsangebote zu informieren.

„Unternehmer ausländischer Herkunft brauchen Mitarbeiter mit zusätzlichen sprachlichen und kulturellen Kenntnissen –und die gewinnen sie am effizientesten durch Ausbildung“, sagte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn gestern zur Eröffnung des Aktionstages. Sie möchte die 280.000 Unternehmen mit „Migrationshintergrund“ in Deutschland dazu bringen, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Die Firmen nutzen den Aktionstag, um den qualifizierten Nachwuchs für sich zu interessieren. „Immer weniger Bewerber bringen die Voraussetzungen für den Beruf mit“, klagt der Dachdecker Michael Solito. Wegen fehlender Deutschkenntnisse, mangelnden Sozialverhaltens und geringen Verantwortungsbewusstseins der Bewerber bliebe in seiner Branche so mancher Ausbildungsplatz unbesetzt. Ministerin Bulmahn sieht in den Bildungsdefiziten nicht das Hauptproblem des Lehrstellenmarktes. Eher schon sei der Lehrstellenmarkt ein Problem für die Bildung. Denn gerade in der Ausbildung erhielten Jugendliche „Qualifikationen für das spätere Leben“, so Bulmahn.

Das Interesse an der Kölner Aktion war beachtlich. Die Besucher des Aktionstages – viele selber Migrantenkinder – belagerten den Stand mit den Anzugträgern von der türkischen Isbank genauso wie den des Dachdeckers Solito. Tobias Haucke