berliner szenen Auf dem Bürgeramt

Ete und Petete

Das Paar muss sich verlaufen haben. Falls nicht, dann kann es nur aus zwingenden, nicht zu beeinflussenden Gründen im Bürgeramt Kreuzberg gelandet sein. Kaum sind die beiden – er mit wertvoller Präzisionsuhr, sie im Pelz – aus dem Fahrstuhl getreten, wollen sie schon wieder zurück. „Wären wir doch bei uns hingegangen“, sagt er. „Aber wir haben doch nur heute Zeit, sonst klappt es diese Woche schon wieder nicht“, wirft sie ein.

Wo auch immer „bei uns“ sein mag – dort ist alles besser. Für die Wartenummern braucht man sich nicht anzustellen, sondern nur auf einen Knopf zu drücken, es läuft kein einfallsloses Warte-TV, in dem Fachanwälte für Verkehrsstrafrecht für ihre Leistungen und Tierheime um neue Besitzer werben und vor allem sind nicht so viele – die beiden wispern das Wort nur – Ausländer da.

Besonders den männlichen Teil des Paares drängt es immer stärker nach Hause. Sie will es durchstehen, aber weder alleine warten noch mit der U-Bahn zurückfahren, und das dringende Anliegen, das sie hier ins Bürgeramt verschlagen hat, möge doch nun bitte, wo man schon an Ort und Stelle sei und sich eine Nummer organisiert habe, auch erledigt werden. Er sagt nichts mehr. Sie blickt auf den Bildschirm, er auf die Wartenummern und beide auf die sie umgebenden Wartenden.

Bis eine Gruppe arabisch sprechender Jugendlicher hereinkommt. Sie schubsen sich gegenseitig durch die Gegend und starten einen Wettbewerb, wer den lautesten Handyklingelton hat. Das Paar schaut sich nur kurz an. Sie nimmt ihre Tasche, die beiden warten nicht einmal auf den Fahrstuhl, sondern hasten die Stufen hinunter. Die übrigen Wartenden schauen sich verwundert an. Einige lachen.

SVENJA BERGT