Bitte kneift mich mal

Applaus auf der Bühne oder Gläserspülen in der Kneipe? Hamlet oder Doku-Soap? Bei kaum einem Beruf gehen Vorstellung und Wirklichkeit so weit auseinander wie bei dem des Schauspielers. Die taz hamburg hat vier junge SchauspielerInnen nach ihren Erfahrungen gefragt. Heute: Artemio Tensuan

Protokoll: Carolin Ströbele

Wenn keine Rollen kommen, dann muss man sie eben selbst schreiben. Wenn du Lust hast zu spielen – hör auf zu meckern und tu was. Ich habe mich oft gefragt, was ich mache, wenn ich ein schlechtes Drehbuch bekomme, bei dem aber die Finanzierung stimmt: Mach ich es um des Spielen willens oder wegen des Geldes? Man kann beide Seiten verstehen, aber ich hab mir dann gedacht: Ich will es für mich machen.

Zum Film bin ich unter anderem gekommen, weil mich mein Freund Fatih Akin sehr inspiriert hat. Wir haben uns kurz nach dem Abi kennengelernt, als er noch gar nichts mit Film zu tun hatte. Ich hatte damals mein erstes Drehbuch geschrieben – eine unglaublich pathetische Love-Story, in der ich die Trennung von meiner Freundin verarbeitet habe. Die erste Anfrage als Schauspieler bekam ich für Fatihs Film Kurz und schmerzlos. Aber ich bin damals nicht zum Casting gegangen. Ich hatte wohl Angst davor, im Rampenlicht zu stehen, Angst vor dieser ganzen Welt des Show-Biz, die ich damals ziemlich falsch fand.

Daraufhin habe mich erst mal zurückgezogen und überlegt, etwas anderes zu machen. Ich habe mich viel mit Kunst beschäftigt, gemalt, geschrieben und in einer Werbeagentur gearbeitet.

Die Entscheidung für die Schauspielerei kam erst vor vier Jahren. Damals war ich auf den Philippinen, der Heimat meines Vaters. Als ich dort durch Zufall das Angebot bekam, bei einem Werbespot mitzuspielen, wurde mir plötzlich klar: Ich komm‘ nicht dran vorbei.

Nach meiner Rückkehr nach Hamburg habe ich mich einer privaten Schauspielgruppe angeschlossen. Dort haben wir über eineinhalb Jahre lang unter Anleitung eines Lehrers miteinander gearbeitet. Ich fand das sehr schön, auch deswegen, weil ich die ganzen klassischen schulischen Systeme nicht so gerne mag. Und schließlich ist Schauspiel nichts anderes, als permanent an sich selbst zu arbeiten und die Menschen zu studieren.

Natürlich bekomme ich manchmal Zukunftsängste und Zweifel, wenn ich zum Beispiel höre, dass die Filmförderung in Hamburg gekürzt werden soll. Ich habe auch schon viele Schauspieler im Taxi oder hinter der Bar getroffen. Aber ich finde, es darf einem auch nichts geschenkt werden, damit man schätzen lernt, was man macht. Wenn ich eine tolle Rolle bekomme, gebe ich alles dafür – weil ich weiß, was ich sonst in Kauf nehme. Ich arbeite echt hart hinter der Theke im Familieneck in Altona – und kann gerade so davon leben. Denn für Filmprojekte bekommt man nicht viel. Wenn man noch unbekannt ist, sagen sie einem immer das Gleiche: „Das ist deine Chance. Sei froh, dass du mitspielst.“

Anfang des Jahres habe ich in Kebab Connection mitgespielt, einer Komödie über den Sohn eines Dönerbuden-Besitzers. Ich habe in dem Film eine echte Ehrenrolle: Ich spiele Bruce Lee. Er ist eine Art Erscheinung, die in wichtigen Momenten dem Hauptdarsteller den richtigen Weg weist. Der Film kommt deutschlandweit in die Kinos, das ist für mich natürlich ein guter Start.

Nach den Dreharbeiten hab ich mir gedacht: ‚Jetzt geb ich Gas!‘ und meinen eigenen Kurzfilm gedreht. Zum Glück habe ich einen Produzenten gefunden, der mich unterstützt hat: Marcus Faulborn von „Tankfilm“. Der Film heißt 10 Minuten – drei Menschen, eine Geschichte und handelt von drei Leuten, die auf der Suche nach Applaus oder Bestätigung sind. Die Fragestellung ist: Suchen sie die äußere Bestätigung, also den Applaus im klassischen Sinne, oder suchen sie ihn in sich selbst, ihren eigenen Applaus?

In unserer Gesellschaft wird immer das Maximum an Leistung von dir erwartet und wenn du es nicht bringst, bist du draußen. Ich wollte einen Film machen, der genau das beschreibt. Eine der drei Hauptrollen spiele ich selbst, und Fatih Akin erscheint in einer kleinen Rolle.

Für die Zukunft wünsche ich mir, große Filme zu machen. Ich finde beides spannend – zu spielen und Regie zu führen. Als Schauspieler ist der magische Moment, wenn du vor der Kamera stehst, das Surren des Films hörst und plötzlich in die Rolle hineinschlüpfst und spürst: du bist es. Als Regisseur hast du die Möglichkeit, deine Welt in die Realität hineinzubringen, und auf einmal wird sie wahr. Bei den Dreharbeiten zu meinem Film war es manchmal so, dass ich dachte: „Bitte kneift mich mal!“