Sarah BSC
: Unter Flitzpiepen

Vor uns sitzen fünf bräsig-breite Freunde, die zwar berlinern wie Stulle, sich aber trotzdem nur für Bremen interessieren. Neben uns drei junge Männer nebst Freundinnen, wobei sich die meist nur mit Handy und Fingernägeln beschäftigen. Hinter uns hocken zwei mittelalte, mehr als mitteldicke Halbglatzenträger in braunen „Weltpokalsieger-Besieger“-Sankt Pauli Shirts. Der Rest des Raumes ist gefüllt mit den üblichen Besserwissern, die keinen Verein favorisieren, Hertha aber immer blöde finden und alles schlaubergernd kommentieren.

Was war passiert? Da ich weder Karten fürs Stadion noch „Premiere“ hatte, dazu ein persönlich bedingtes Pünktlichkeitsproblem kam, musste ich fürs Spiel Hertha gegen Bayern nehmen, was übrig blieb – und das war eine Kneipe. Schlecht ausgewählt war die, das ist schon nach wenigen Minuten klar. Eigentlich wusste ich es sogar schon vorher. Aber wie gesagt, ich war spät, der Anpfiff schon zehn Minuten vorbei, als wir überhaupt erst die Kneipentür erreichten.

Die Alternative zu dieser Kneipe, die ausschließlich nach Entfernung ausgesucht wurde, wäre ein bayerisches Lokal – und dass ich das an diesem Samstag nicht wollte, war selbstverständlich. Obwohl, so im Nachhinein betrachtet, wäre es dort wohl lustiger gewesen. Zumindest für mich. Ich sehe nicht gerne Fußball in Kneipen. Dieses ewige Nörgeln, die blöden Kommentare, das schlechte Aussehen der meisten Zuschauer – mir geht’s auf die Nerven. Immer fallen Sätze wie „Kieck dir die Flitzpiepen an!“ und „Rennen musste, nicht bloß rumstehen für deine Millionen, wa.“

Beim ersten Tor für Hertha schrie ich freudig auf, die Schlauberger riefen „Fotografier schnell die Blitztabelle, dit Bild kannste dir dann übers Bett hängen. Zum Träumen.“ Dann kam der Ausgleich. Ich jammerte ängstlich, die Bremenfans waren mit ihrem Spiel beschäftigt, die Schlauberger riefen: „Siehste, ham wa doch gesagt.“ Als das alles entscheidende Tor fiel und danach endlich der Abpfiff, kam lahmer Applaus aus den hinteren Reihen, nur ich und meine Begleitung waren voll der Freude. Die Bremer ärgerten sich, die Frauen telefonierten, die Schlauberger analysierten, warum Hertha trotzdem scheiße sei. Aber mir konnten sie nichts mehr anhaben, denn die Tabelle, die hat immer recht. Und der Goldene Fußball-Bär geht natürlich an meinen Liebling Drobny. Hurra! SARAH SCHMIDT

spielbericht: leibesübungen SEITE 18