Reiche und Gebildete für Gebühren

An der Humboldt-Uni hat eine Umfrage gezeigt: Studierende sind für Studiengebühren. Nun ärgern sich die Studentenvertreter (mit Recht) über die fingierte Studie. Was sie nicht zugeben: Das Ergebnis ist leicht nachvollziehbar – wenn man sich die Sozialstruktur der Hochschulen genauer ansieht

Hinterher waren die organisierten Studis, die Asta-Fritzen und RefRatsRevolutionäre natürlich wieder stinksauer. Ihre eigenen Kommilitonen hatten ihnen eine veritable Stinkbombe ins Nest gelegt. Studierende finden heraus: Studierende sind für Studiengebühren. So lautete die Schlagzeile, die Studis der Humboldt-Uni produziert hatten.

„Wenn man die richtigen Fragen richtig stellt, bekommt man auch die Antworten, die man haben will“, schimpfte Peter Hartig, Mitglied der Studierendenvertretung, die an der Humboldt-Uni ReferentInnenrat heißt. Und sein Kollege Christoph Immer, der Sozialreferent, japste: „Diese Umfrage ist fingiert.“

Ob es so einfach ist, den wissenschaftlichen Gehalt der Studie zu bewerten, sollen Experten begutachten. Die Ergebnisse waren so aufschlussreich wie widersprüchlich. 63 Prozent der Befragten sprachen sich in einer Frage gegen eine „stärkere finanzielle Beteiligung der Studenten am Studium“ aus. Aber satte 64,4 Prozent der 163 Befragten waren dann doch für Gebühren in ganz verschiedenen Varianten: Eine nachlaufende Finanzierung fanden die einen cool (31,5 Prozent), ein Kreditsystem inklusive Zins bejahten 23 Prozent, selbst ordinäre direkte Gebühren während des Studiums befürworteten 10,3 Prozent. 21,8 Prozent hatten nichts gegen Verwaltungsgebühren. Aber nur 13,3 Prozent der Befragten fanden keines der Modelle angemessen. Die Rubrik „Keine Studiengebühren“ war als Wahloption nicht vorgesehen. (Siehe Kasten)

Interessanter aber als die Validität der Umfrage ist ihr Zustandekommen. Zum ersten Mal segelte eine studentische Pro-Gebühren-Studie ja nicht unter dem windigen Label eines Ökonomen, sondern unter dem eines angesehenen Sozialwissenschaftlers. Herfried Münkler stand als Schirmherr mit seinem Namen gerade. Münkler, gerade viel beklatscht für seine „Neuen Kriege“, hat einen Nachteil: Er ist Ideengeschichtler und hat von empirischer Sozialforschung keine Ahnung. Konsequenterweise hat er sich „die Studie“ auch gar nicht angesehen.

Worauf Münkler hätte achten sollen, ist vielleicht dieses: Dass sein Tutorium keinen Missbrauch betreibt. Das aber genau tat es. Immerhin lieh Münkler einem Projekttutorium seinen guten Namen. Diese Art von Tutorium wurde Ende der 80er-Jahre in Streiks entwickelt. Es bedeutet: Studierende setzen sich in autonomen Seminaren zusammen und betreiben ihre eigene forschende Lehre – mit kritischen Inhalten. Aber das war nur in Streikzeiten an der Freien und der Technischen Universität selbstverständlich. Das Münkler-Humboldtsche Tutorium hat den ursprünglich emanzipativen Sinn ins Gegenteil verkehrt. Die Studis wollten mal was zu Studiengebühren machen, teilen die Veranstalter fröhlich-unbedarft mit. Dass sie dabei etwas gegen die Studierenden machen könnten, kam keinem in den Sinn.

Zu dem Tutorium fanden sich insgesamt acht Teilnehmer ein. Darunter mindestens ein Trojanisches Pferd, das an der Humboldt-Universität inzwischen sattsam bekannt ist. Astrid Jantz nämlich, ein Studentin, die nicht nur im Bundesvorstand der Jungen Union und in einer Berliner Bezirksfiliale der CDU ihren Wirkungskreis hat, sondern auch an der Humboldt-Uni. Im Januar hatte Jantz unter dem Namen Schneider eine ganze Vollversammlung bei Humboldts betört, doch bitte den Streik abzubrechen. Als man sie fragte, ob sie politisch gefärbt oder gar aktiv sei, log Jantz damals. Heute sagt sie gar nichts mehr oder klagt, ganz präsidial, schriftliche Interview-Anfragen ein.

Im Hintergrund eines Projekttutoriums allerdings wirkte sie in üblicher Weise. Nein, beteuert der Leiter des Projekttutoriums, der Student Jan Seifert, es sei ihm völlig egal gewesen, ob einzelne Studierende des Tutoriums politisch aktiv seien. „Politisch sind wir doch alle irgendwie“, sagt der Politikstudent treuherzig. Er selbst übrigens, da lassen sich keine einfachen Verschwörungstheorien basteln, zählt sich zur europagrünen Bewegung.

Das Gejammer der Studentenvertreter der Humdboldt-Universität freilich ist nicht weniger billig wie die sozialen und politischen Interessen, die hinter der Umfrage stehen. Ist es denn so verwunderlich, dass eine Mehrheit an der Humboldt-Universität Studiengebühren befürwortet?

An den Hochschulen tummeln sich inzwischen (2003), das zeigt die jüngste Sozialerhebung des Studentenwerks, 61 Prozent aus der so genannten hohen oder gehobenen sozialen Herkunftsgruppe – Tendenz steigend. 27 Prozent rechnen sich zur mittleren Schicht. Und ganze 12 Prozent gehören der unteren Herkunftsgruppe an – das sind die Arbeiterkinder von früher. Soziale Herkunftsgruppen definieren sich durch Bildungsstand und Einkommen der Eltern. Mit anderen Worten: Warum sollten 61 Prozent Kinder der Gutbetuchten aus gebildeten Elternhäusern eigentlich gegen Studiengebühren sein?

Und die Asta-Fritzen wissen das ja auch. Hinter vorgehaltener Hand geben sie längst zu: In ganz normalen Seminaren, bei vernünftiger Gesprächsführung, gibt es praktisch nirgendwo mehr eindeutige Mehrheiten gegen Studiengebühren.

CHRISTIAN FÜLLER
GEREON SCHLOSSMACHER