Politischer Rückenwind

Zweiter Prozess um die Anschläge vom 11. September vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht: Anklage wirft Mzoudi aggressive antiamerikanische wie antijüdische Anschauungen vor. Sein Anwalt allerdings ist jüdischer Abstammung

Es ist insoweit ein politischer Prozess, als Terrorismus ein politisches Delikt ist

aus Hamburg ELKE SPANNER

Schon die Wahl seiner AnwältInnen dient diesen als Beleg, dass Abdelghani Mzoudi nicht der radikale Ismalist sein kann, als der er in der Anklage der Bundesanwaltschaft (BAW) bezeichnet wird: Verteidigerin Gül Pinar ist eine Frau, und Rechtsanwalt Michael Rosenthaler jüdischer Abstammung. Gleich als er das Mandat übernommen hat, habe er Mzoudi darauf hingewiesen, erzählte Rosenthaler gestern am Rande des Prozesses vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht (OLG), in dem der Marokkaner angeklagt ist, Beihilfe zu den Terroranschlägen des 11. September geleistet zu haben. Der aber habe nur gelächelt und erwidert: „Offenbar ist Ihr Problem damit größer als meines.“

Die Anklage aber geht davon aus, dass der 30-Jährige in einer „aggressiven antiamerikanischen und antijüdischen“ Weltanschauung verhaftet ist. Im Frühsommer 1999 habe er sich mit den Attentätern um Mohammed Atta zu einer terroristischen Vereinigung zusammengschlossen, um „den heiligen Krieg im westlichen Kulturkreis durch Begehung von Terrorakten durchzusetzen“. Nach außen in Hamburg als harmlose Studentengruppe getarnt, habe sich die Gruppe zu einer „nach außen abgeschotteten, konspirativ arbeitenden Organisationseinheit unter maßgeblicher Beteiligung der Al Quaida entwickelt“.

Mzoudi soll Mitglied gewesen sein – heißt es jetzt. Zunächst hatte Gerneralbundesanwalt Kay Nehm nur wegen des Vorwurfes ermittelt, dass Mzoudi die Gruppe unterstützt habe. Dafür hätte ihm eine weit geringere Strafe gedroht. Anwalt Rosenthal bestätigte gestern, dass Gerüchten zufolge die Anklage wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung schon fertig war – und noch kurzfristig verschärft wurde, als Mzoudis Bekannter Mounir El Motassadeq im Februar wegen Mitgliedschaft verurteilt worden ist. Womöglich, deutete Rosenthal an, habe die BAW durch dieses Urteil „Rückenwind“ bekommen. Dennoch betonte Bundesanwalt Walter Hemberger, es sei „kein politischer Prozess“. Das sehen die Verteidiger anders: „Es ist insoweit ein politischer Prozess, als Terrorismus ein politisches Delikt ist.“

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