Dreizehn Jahre nach dem Vorschlag

Schon 1988 forderte die Publizistin Lea Rosh ein „Mahnmal als Bekenntnis der Tat“. Doch es brauchte noch jahrelange Diskussionen, einen Regierungswechsel und zwei Architektenwettbewerbe, bis „Eisenman II“ in Bau geht

Willy Brandt, Helmut Kohl, Günter Grass, Lea Rosh, Walter Jens: Man muss sich nur die Namen vergegenwärtigen, um zu erkennen, wie sehr das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ ein Projekt der alten Bundesrepublik ist. Die vergangenen 15 Jahre, eine halbe Generation, hat das westliche und später das ganze Deutschland um das Ob und Wann und Wie eines Denkmals für sechs Millionen ermordete Menschen diskutiert. Jahrelang schien gar nichts mehr zu gehen. Und doch wird es ab diesem Wochenende sichtbar entstehen: das wohl weltweit einmalige Denkmal eines Volkes, das an einem zentralen Platz des Landes seines größten Verbrechens gedenkt.

Angefangen hatte alles mit der Publizistin Lea Rosh, die im August 1988 ein „Mahnmal als sichtbares Bekenntnis zur Tat“ des Holocaust auf dem früheren Gestapo-Geländes in Kreuzberg forderte. Zusammen unter anderem mit dem Historiker Eberhard Jäckel gründet Rosh die Bürgerinitiative „Perspektive Berlin“. Nach dem Fall der Mauer scheint die Inititiative schnelle Fortschritte zu machen: Der aus ihr hervorgegangene „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ erhält von Kanzler Kohl im April 1992 einen Teil der ehemaligen Ministergärten südlich des Brandenburger Tores zur Verfügung gestellt.

Jetzt sollen Fakten geschaffen werden: Der Senat lobt im Namen der Bundesregierung einen Wettbewerb für das Denkmal aus – bis zum Frühjahr 1995 sind 528 Arbeiten eingangen. Eine Jury unter dem Vorsitz von Walter Jens spricht sich für zwei Modelle aus, darunter eines der Berliner Architektin Christine Jackob-Marks und anderer. Die Auslober empfehlen diese Arbeit, aber im Juni 1995 spricht sich Kohl gegen den Entwurf aus: die erste große Krise des Denkmals.

Der Prozess beginnt praktisch noch einmal von vorne: Ein dreistufiges Experten-Kolloquium tagt monatelang. Alles wird noch einmal in Frage gestellt – nicht zuletzt die Entscheidung, das Denkmal nur den ermordeten Juden zu widmen und nicht etwa den getöteten Sinti und Roma. Wieder wird ein Wettbewerbsverfahren ausgelobt, diesmal nur noch unter 25 international bekannten Bildhauern und Architekten. Nach dem Votum einer Findungskommission und einer erneuten öffentlichen Debatte ist im Februar 1998 ein neuer Favorit gefunden: der gemeinsame Entwurf des New Yorker Architekten Peter Eisenman und des Bildhauers Richard Serra. Kohl bittet erneut um eine Überarbeitung. Nach dem Ausstieg von Serra liegt Eisenman im Sommer 1998 einen zweiten Entwurf „Eisenman II“ vor.

Nach dem Regierungswechsel schlägt der neue Kulturstaatsminister Michael Neumann im Frühjahr 1999 eine Kombination des Mahnmals mit einem Forschungszentrum und einer Bibliothek vor. Eisenman liefert dafür einen Entwurf, „Eisenman III“. Wieder scheint das ganze Projekt kippen zu können. Doch in einer entscheidenen Sitzung kassiert der Bundestag am 25. Juni 1999 den Naumann-Vorschlag: Das Parlament beschließt einerseits den Bau (und die Kosten), votiert andererseits für „Eisenman II“. Von Naumanns Idee bleibt immerhin der „Ort der Information“ unterhalb des Feldes von 2.700 Betonstelen bestehen.

Es gibt noch einmal Gerangel um die Kosten und die Gestaltung des „Ortes der Information“. Doch im November 2000 bewilligt der Bundestag einen Betrag von 25,3 Millionen Euro für das Stelenfeld und 2,3 Millionen Euro für die Erstausstattung des „Ortes der Information“. Im Mai 2001, fast 13 Jahre nach Roshs Vorschlag, werden zur Probe erste Stelen aufgestellt. Ein letztes Mal verzögert sich das Mammutprojekt, als nach einem Gerichtsverfahren der Auftrag für den Bau der Stelen neu ausgeschrieben werden muss: Statt wie geplant im Sommer 2002 mit dem Bau zu beginnen, dauert es nun bis zum April dieses Jahres, bis die ersten Bagger rollen.

Eisenman hat nun die ersten Stelen begutachtet – im September kann dann mit der Montage begonnen werden, erklären die Experten der Betonfirma. Nach Informationen der „Stiftung für die ermordeten Juden Europas“ wird die Bauzeit für das Stelenfeld und den „Ort“ etwa anderthalb Jahre betragen. Im Sommer kommenden Jahres soll der Rohbau stehen, frühestens im Frühjahr 2005 ist das Denkmal dann fertig. Wenn alles gut läuft.

PHILIPP GESSLER