Letzte Chance für die Welthandelsrunde

Bis Ende Juli sollen die Verhandlungen zur Reform des globalen Handels wieder in Gang kommen. Auf dem Papier kommt die Welthandelsorganisation deshalb den Entwicklungsländern nun entgegen. Doch noch werden die Industrieländer geschont

VON STEPHAN KOSCH

Die Rettungsaktion hat begonnen. Die Welthandelsorganisation WTO will die festgefahrenen Verhandlungen zur Reform des Welthandels noch einmal flott machen – und hat den 147 Mitgliedsstaaten neue Vorschläge vorgelegt. Nach einem ersten Gespräch der WTO-Botschafter am Montagabend in Genf gab man sich optimistisch. Die Diskussion des Textes sei „positiv und konstruktiv“ verlaufen, sagte WTO-Sprecher Keith Rockwell. Der Entwurf sei als Basis für Verhandlungen akzeptiert worden. Bis zum 27. Juli sollen die Staaten sich nun einigen, denn dann will der Generalrat der WTO das Papier verabschieden.

Hintergrund der Gespräche ist die so genannte Doha-Runde der WTO. In ihr will die Organisation bis zum Beginn des kommenden Jahres den Welthandel reformieren und die Position der Entwicklungsländer stärken. Doch eine Einigung blieb bislang aus, ein geplantes Rahmenabkommen im mexikanischen Cancún wurde im vergangenen Sommer nicht geschlossen. Die größeren Entwicklungsgländer schlossen sich unter der Führung von Brasilien, Indien und China zusammen und bildeten so ein Gegenwicht zu den Industriestaaten des Nordens. Eine der Hauptforderungen der Entwicklungsländer ist der freie Zugang zu den Märkten des Nordens und das Ende der milliardenschweren Landwirtschaftssubventionen.

In diesem Punkt kommen die WTO-Vorschläge den Entwicklungsländern zumindest auf dem Papier entgegen. Exportsubventionen für Agrarprodukte müssten in allen beteiligten Staaten abgeschafft werden, heißt es dort. Bislang war nur eine Abschaffung in Etappen vorgesehen. Hier habe sich am Montagabend ein breiter Konsens unter den WTO-Vertretern abgezeichnet, sagte Rockwell. Er räumte aber auch ein, dass noch „eine Menge Details geklärt werden“ müssten.

Und genau da dürfte es schwierig werden. Unter anderem wird in dem Entwurf noch kein Datum genannt, bis zu dem die Exportsubventionen abgebaut werden sollen. Die Entwicklungsländer hätten aber einen solchen Schritt sofort gefordert, sagt Pia Eberhardt von der globalisierungskritischen Organisation WEED.

„Die EU kann mit diesem Entwurf äußerst zufrieden sein“, sagte Eberhardt. So folge das Papier zum Beispiel bei der Frage des Zollabbaus im Agrarsektor den Vorstellungen der EU und der USA. Die sehen vor, dass die Zölle umso stärker gekappt werden, je höher sie sind. Allerdings gebe es in den Entwicklungsländern durchschnittlich höhere Zölle, sodass diese stärker leiden würden als die Industrieländer.

Und auch beim angestrebten Subventionsabbau im Export komme die WTO den reichen Staaten entgegen, da gleichzeitig die Bedingungen für die erlaubten Finanzhilfen für die Produktion erweitert werden sollen. Das Fazit von WEED fällt daher vernichtend aus: „Aus entwicklungspolitischer Sicht ist dieser Entwurf nicht sinnvoll.“

Die EU ist ebenfalls noch nicht zufrieden. Eine Sprecherin von Handelskommissar Pascal Lamy bezeichnete den Text zwar als „gute Basis“. Allerdings würde man sich eine stärkere Senkung der Industriezölle wünschen. Hier entspreche der Entwurf dem „Minimum“. Auch bei der Öffnung der Dienstleistungsmärkte will die EU genauere Vereinbarungen erzielen.

Der Druck auf die Verhandlungen wächst. So rief WTO-Generaldirektor Supachai Panitchpakdi die Mitglieder eindringlich zur Einigung auf. Sie müssten in den kommenden zwei Wochen alle dazu nötigen Anstrengungen unternehmen. Ein Ergebnis könne in der Doha-Entwicklungsrunde den Weg bereiten.

Auch Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) erklärte, dass eine „Zwangspause“ drohe, wenn sich in den kommenden zwei Wochen keiner der Verhandlungspartner bewege. Auch sie sieht in dem Entwurf Fortschritte. Es fehlten aber noch Klarstellungen, etwa für den Abbau nationaler Finanzhilfen.