Schwierige Verhandlungen bei Daimler

Knackpunkt der unbezahlten Mehrarbeit in Gesprächen zwischen Vorstand und Betriebsrat nicht ausgeräumt. Gewerkschaft strebt langfristigen Vertrag an – wie auch der Betriebsrat von Opel. Dort wird ein Standortsicherungsvertrag gefordert

AUS RÜSSELSHEIM KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Wenn ich heute bei einem deutschen Luxusautohersteller beschäftigt wäre, würde ich mir ziemliche Sorgen machen“ – das sagt der Vizepräsident Europa des US-Automobilbaugiganten General Motors (GM), Bob Lutz. Schließlich, so Lutz, würden seit knapp einem Jahr die monatlichen Verkaufszahlen für Mercedes in den USA permanent sinken. Lutz macht unter anderem den „starken Euro“ für die schlechte Wettbewerbslage der deutschen gegenüber japanischen und koreanischen Herstellern verantwortlich.

Inzwischen reagieren die Automobilbaukonzerne in Deutschland auf die latente Absatzkrise. Bei DaimlerChrysler setzt der Vorstand auf den Abbau von Schichtzulagen und die generelle Verlängerung der Arbeitszeiten ohne Mehrbezahlung – wogegen die Beschäftigten im betroffenen Werk Sindelfingen in der Nacht zum Dienstag wieder gestreikt haben. Die Belegschaft wehrt sich gegen das 500 Millionen Euro schwere „Sparpaket“, das ihnen der Vorstand aufbürden will.

Eine Einigung in den Verhandlungen zwischen Daimler-Management und Betriebsrat zeichnete sich gestern nicht ab. Konsens soll es bisher nur bei der Einführung der 40-Stunden-Woche für rund 20.000 Beschäftigte in Forschung und Entwicklung gegen Mehrbezahlung geben. Zudem soll ein Tarifvertrag für Dienstleister unterzeichnet werden, wonach Arbeitnehmer in Kantinen, Druckereien und Werkschutz weniger verdienen würden als Metaller in der Autoproduktion. Die Arbeitnehmer erwarteten zudem einen sichtbaren Solidaritätsbeweis des gesamten DaimlerChrysler-Managements. Nicht nur der Konzernvorstand, sondern die gesamte leitende Führungsebene mit etwa 6.000 Managern solle auf Gehalt verzichten, betonten Betriebsratsmitglieder. Kommt es bis Freitag zu keiner Einigung, will der Betriebsrat erneut zehntausende Beschäftigte zu Protesten mobilisieren.

Nicht mehr zufrieden geben will sich die IG Metall mit kurzen Laufzeiten für die angestrebte neue Betriebsvereinbarung. Der Vorstand müsse die avisierten Produktlinien für alle deutschen Mercedeswerke offen legen – und die Beschäftigungspläne dazu. Neue „Verabredungen“, so der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, könnten unter diesen Voraussetzungen „bis zu zehn Jahre“ halten.

An so einem „Zukunftsvertrag“ wird bei Opel in Rüsselsheim schon seit Monaten gebastelt. Der soll eine „klare Perspektive“ für alle Werke von Opel in Deutschland bis zum Jahre 2010 ausweisen und den Belegschaften dort „die Beschäftigung garantieren“, so der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Deutschland und Europa, Klaus Franz. Auch bei Opel wehren sich die Betriebsräte gegen eine von GM Europa für das Werk in Bochum geforderte Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 38 Stunden. Schließlich werde im Stammwerk in Rüsselsheim wegen der anhaltenden Absatzflaute nur noch 30 Stunden in der Woche gearbeitet – bei etwa halbem Lohnausgleich. Die Betriebsräte setzten auf Flexibilität. Und sie wollen betriebsbedingte Kündigungen „unbedingt verhindern“. Deshalb sollen die bestehenden Standortsicherungsverträge über das Jahr 2005 hinaus fortgeschrieben werden. In zwei Wochen beginnen in Rüsselsheim die Verhandlungen.

Seit dem Wechsel an der Spitze des Unternehmens Ende Juli 2004 ist der Ton rauer geworden. Beschäftigungsgarantien werde es zukünftig nicht mehr geben, so der neue Vorstandsvorsitzende Hans Demant. Und Opel werde die ganze Palette der Werke in Europa nutzen. Der neue Zafira wird nicht in Rüsselsheim, sondern im polnischen Gliwice gebaut werden. In Rüsselsheim soll zum Ausgleich der Vectra mit produziert werden, der bislang nur in Großbritannien gebaut wurde. Und schon wird gemunkelt, dass man am historischen Standort von Opel bald wohl auch Autos von Saab, Vauxhall oder gar Chevrolet (GM) zusammenschrauben müsse.

Im Artikel „Daimler: Angekündigter Streik“ in der Dienstag-Ausgabe ist ein Fehler unterlaufen. Richtig hätte es heißen müssen: „Die nicht mit der Automobilproduktion befassten Beschäftigten, wie etwa das Kantinenpersonal, sollen aus dem Metalltarifvertrag herausfallen.“