Ein undurchschaubares Geflecht

betr.: „Ein besonderes Geflecht“, taz vom 13. 2. 09

Staat und Kirche sind in Deutschland faktisch nicht getrennt. Ich möchte dem Autor des Artikels entschieden widersprechen und ein positives Vorurteil bezüglich der Rolle der Kirchen in Frage stellen.

Im katholischen Rheinland gibt es zum Religionsunterricht bis zum 7. Schuljahr in der Regel keine Alternativen. Wer seine Kinder vom Religionsunterricht abmeldet, der kann erleben, dass für das Kind ein Spießrutenlaufen beginnt. Nur ein Beispiel: Der eigentlich freiwillige und zusätzliche Religionsunterricht findet oft nicht in Eckstunden statt, das abgemeldete Kind wird zur Beaufsichtigung in irgendeine Klasse geschickt. Dem Kind und den Eltern wird deutlich signalisiert, dass man die „normalen“ Schulabläufe stört. Die Kirchen verteidigen ihr Privileg, Religionsunterricht in staatlichen Schulen unterrichten zu dürfen, mit allen Mitteln, und im „katholischen Rheinland“ versuchen sie diejenigen zu Außenseitern zu machen, die auf das Religionsangebot dankend verzichten. Ein Pflichtfach „Ethik“ an den staatlichen Schulen als Alternative auch ein Wahlpflichtfach „Religion“ wäre für unsere Kinder ein echter Fortschritt. Wir müssten hier also eine Pro-Ethik-Bewegung starten.

Das Einschreiten Merkels gegenüber dem Papst geschah aus guten Gründen, schließlich bemühen sich die aufgeklärten und demokratischen Regierungen in Europa seit über 200 Jahren – mehr oder weniger erfolgreich – die Demokratie gegenüber den autoritären Strukturen der katholischen Kirche zu verteidigen. In dieser Aussage stimme ich mit dem Autor überein: „Merkel musste um der Staatsräson willen Benedikt zur Vernunft rufen, das heißt, zu einer deutlichen Abgrenzung vom Antisemitismus eines Williamson.“

Meine Antithese zu der Behauptung des taz-Autors, dass der Staat massive Hilfen von den Kirchen erhält, lautet: Der Staat gab und gibt den Kirchen hierzulande Privilegien (wie Kirchensteuereinzug) und sehr viel Geld (80 bis 95 Prozent der Kosten für den Betrieb eines katholischen Kindergartens), erhält dafür aber keine angemessene Leistung im sozialen Bereich und im Bildungswesen. Die kirchlichen Quasimonopolisten im Sozialwesen, Caritas und Diakonie, haben zusammen ca. 800.000 Beschäftigte, die überwiegend oder ausschließlich aus Steuergeldern oder mit Mitteln aus den Solidarsystemen bezahlt werden. Diese mächtigen Konzerne be- und verhindern vernünftige und flexible Lösungen im Kindergartenbereich seit Jahrzehnten. Die langjährige Praxis, dass fast jeder kirchliche Kindergarten eine Mittagspause machte, entsprach dem Rollenbild der katholischen Kirche, aber schon seit den Siebzigerjahren nicht mehr den Bedürfnissen vieler moderner Familien.

Wir sollten kritisch beobachten, ob die Kirche ihre Lektion auch verstanden und sich zu eigen gemacht hat. Wir sollten wachsam sein, wenn die Kirche ihre Lektion zu vergessen droht. Man sollte sich doch noch mal überlegen, ob man nicht endlich aus der Kirche austritt, in die man niemals freiwillig eingetreten ist, sondern „hineingeboren“ wurde. Name und Anschrift sind der Red. bekannt