Das Straßenbild

Die Reklamerezension. Heute: Herr Doktor, ich fühl mich unwohl!

Der Zusammenhang liegt psychoanalytisch auf der Hand wie weiland Klein Ödipus bei seiner Frau Mama: Der infantil gebliebene Mann, Adressat dieser Werbebotschaft, erhält eine genitale Triebabfuhr. Dies hat zuweilen zwei entscheidende Gründe. In früher Morgenstunde an der Trinkhalle stehend, wirkt er auf die weibliche Bevölkerung dieses Planeten nicht sonderlich attraktiv. Insofern fehlt dem Lustsubjekt sein Lustobjekt. Falls trotzdem eine Frau seine gewundenen Bahnen kreuzt, ist jener Mann häufig schon so sediert, dass Schluss ist mit Lust und lustig.

Also bleibt dem armen Wicht, sowieso noch nicht altersadäquat gereift, nur die Flucht in Regression. Die orale Phase des Mannes beginnt unmittelbar nach der Geburt und endet abrupt bei der Verlegung von der Trinkerheilanstalt zum Zentralfriedhof. Die Inhalte wechseln, das Fläschchen bleibt.

So weit, so schlüssig. Wir hätten es hier also mit einer in sich stimmigen Werbung zu tun, wenn es sich nicht um diese ganz besondere Getränkegattung handeln würde. Was dort in dieser westdeutschen Metropole gebraut wird, verdient nicht den Namen Bier. Dieses gelb eingefärbte Rheinuferfiltrat, normalerweise serviert in Urinproben-Glaszylindern, hat einen Alkoholgehalt jenseits der Nachweisgrenze.

Natürlich, in übermenschlichen Mengen zu sich genommen, verursacht es einen Humor à la Willi Millowitsch, eine Sprachstörung à la Wolfgang Niedecken. Aber dies liegt nicht am Alkohol, sondern ganz gewiss an einer übervollen Blase. Warum also werben die Leute von Früh von früh bis spät für ein Mittel der Sublimierung, das keines ist, sondern nichts als ein verunreinigtes Mineralwasser? Gerade deshalb: Weil Werbung immer lügt!

Aber das soll sich ja bald ändern. Dann steht auf diesem signalroten Plakat wohl nur noch „Früh, das bierähnliche Getränk“. Und das flaschenfeindliche Foto zerren wir vor den Europäischen Gerichtshof. LUTZ DEBUS