Flieg, Schiffslotse, flieg

Niemand will mehr Lotse werden, klagt die Bremerhavener Brüderschaft und sagt Probleme für den Hafenstandort voraus. Ein schneller Helikopter-Shuttle in die Wesermündung, hofft der Berufsverband, könnte helfen – und zudem noch Kosten sparen

Der Lotse muss rechtzeitig an Bord sein – auch bei Windstärke zehn

aus Bremerhaven Armin Simon

Die drakonischen Strafen können der Grund nicht sein. „An der Rahe aufgeknüpft“ – dieses Schicksal drohte Lotsen, die ein Schiff kentern ließen, nur im Mittelalter. Und selbst die „Leibesstrafe“ gab’s an der Weser nur bis 1921. Trotzdem scheint der Hilfsdienst zwischen Meer und Hafen nicht mehr zu locken. „Wir kriegen keine Leute mehr“, klagt Stephan Blasshofer, Ältermann der Lotsenbrüderschaft Weser II/Jade.

Mit seinen rund 100 Kollegen ist Blasshofer für das sichere Passieren der großen Schiffe zwischen Wilhelmshaven, Bremerhaven und der Deutschen Bucht zuständig. 32 Seemeilen lang, knapp 60 Kilometer, schlängelt sich etwa die Weser durch das Watt hinaus ins offene Meer. An manchen Stellen ist die Schifffahrtsrinne ganze 200 Meter breit. Nicht nur die drei Fußballfelder großen Riesen-Pötte brauchen da Navigationshilfe.

Fehlt es an ortskundigen Lotsen, warnt Blasshofer, könnten sich nicht nur die Unfälle häufen. Große Schiffe, denen die Passage nur mit Lotsen an Bord erlaubt ist, müssten dann eventuell sogar Wartezeiten in Kauf nehmen: der Ruf Bremerhavens – derzeit viertgrößter Hafen Europas – wäre schnell dahin.

12.000-mal wurden Blasshofers Mannen im letzten Jahr angefordert, in zwei Drittel der Fälle mussten sie nachts oder an Feiertagen ausrücken. Zwar sind die Lotsen Freiberufler, ihre Arbeitszeit aber können sie nicht selbst festlegen. Kündigt sich ein Schiff an, muss der Lotse 24 Stunden später an Bord sein – auch bei Windstärke zehn. Statt Schichtplan gilt in der Brüderschaft das Reihum-Prinzip: Nächstes Schiff, nächster Lotse. „Bei uns gibt es keine garantierte Freizeit“, sagt Blasshofer.

Einlaufende Schiffe erwarten die Lotsen derzeit meist auf ihrem liebevoll „Lotsendampfer“ genannten Außenposten draußen im Meer. Ein Schlauchboot setzt sie von dort zum Einsatzort über, per Strickleiter und Gangway geht es dann die Bordwand hinauf. Nur in Ausnahmefällen, wenn etwa der Wellengang zu hoch ist, werden die Helfer von Wilhelmshaven aus mit dem Helikopter eingeflogen.

Künftig, wünschen die Lotsen, soll die schnelle Beförderung durch die Luft zum Regelfall werden. Bis zu 7.500-mal pro Jahr, so die Idee, soll der Shuttle von der Küste aufs Meer hinaus fliegen. Schneller zur Stelle und schneller wieder zuhause – das käme Wirtschaft und Lotsen gleichermaßen zupass, wirbt Blasshofer. Angesichts des fehlenden Nachwuchses bleibe den Lotsen auch gar keine andere Möglichkeit. „Wir können es uns nicht mehr leisten, unsere Leute warten zu lassen“, sagt er.

Gegenüber der Wasser- und Schifffahrtsdirektion in Aurich konnten sich Blasshofer & Co. mit diesen Vorstellungen allerdings nicht durchsetzen. Die Behörde schlug dem Bundesverkehrsministerium diese Woche lediglich vor, die 40 Jahre alten Lotsendampfer durch neue Schiffe zu ersetzen – und ansonsten alles beim Alten zu belassen. Das Ministerium in Bonn muss jetzt entscheiden, ob weiterer „Erörterungsbedarf“ besteht.