Vom Hut in den Mund

Das internationale Bremer Straßenkunstfestival La Strada hat sich gemausert: Am Donnerstag startet es in neunter Auflage als Kernstück des Spektakels „KultUrknall“

Herr Krause ist klein, dick, um die Fünfzig und trägt Glatze. Wohnsitz hat er keinen, dafür reist er von Stadt zu Stadt, stromert durch die Straßen und verwickelt irgendwen in irgendwelche Gespräche. Herr Krause lebt vom Labern. Und weil er immer im Freien labert, mag Herr Krause von allen Menschen am liebsten die Norddeutschen – weil die nicht sofort weglaufen, wenn es mal ein bisschen regnet.

„Die international reisenden Straßenkünstler erzählen mir immer wieder, dass sie das norddeutsche Publikum als unglaublich aufgeschlossen empfinden. Das liegt wohl an der Wetterfestigkeit.“ sagt Gabriele Koch, Festivalleiterin des Internationalen Straßen-Zirkus-Festivals La Strada. Vom 21. bis zum 24. August wird die neunte La Strada-Ausgabe mit knapp 80 Straßenkünstlern in den Bremer Wall-Anlagen stattfinden – als Kernstück eines Kultur- und Partywochenendes namens „KultUrknall“. Neben und mit La Strada werden das Bremer Theater, die Bremer Shakespeare Company, das Kulturzentrum Lagerhaus und das Viertel-Fest das Freiluftspektakel auf die Beine stellen. Herr Krause wird als „Talking Act“ dabei sein.

Dabei fing La Strada klein an: 1992 begann das Projekt als Sommerfest mit „zwei bis drei Gauklern“, so Gründungsmitglied Stephan Pleyn. Per Mundpropaganda holte man danach alljährlich Straßenkünstler nach Bremen, mietete einen Bus und tourte durch Bremer Stadtteile: Die Straßenkünstler konnten so „neue Orte entdecken. Wir wollten nicht nur ein Festival für die Zuschauer machen, es sollte auch ein Festival für die Künstler sein“, so Pleyn.

Seitdem habe sich La Strada zum „größten Straßenkunst-Festival in Norddeutschland“ gemausert: 1995 entdeckte die Bremen Marketing Gesellschaft das Festival und stieg ein, seit 1997 macht der Bremer Großmarkt mit und im Jahr 2000 flossen auf einmal Expo-Gelder: Mit einem Budget von rund 200.000 Euro konnte man zehn Tage lang Programm machen.

Für La Strada bedeutet das Jahr 2000 einen Popularitätsschub, innerhalb und außerhalb der Szene. „Wie haben mittlerweile die Stellung, unter den Künstlern auswählen zu können“, sagt Festivalleiterin Koch. Und das, obwohl La Strada in diesem Jahr mit einem Budget von rund 90.000 Euro auskommen muss und „nur sehr geringe Gagen zahlen kann. Die Künstler spielen nach wie vor hauptsächlich ‚auf Hut‘.“ Und gerade das funktioniere in Bremen sehr gut. Warum? „Vielleicht kommt es den Hanseaten entgegen, dass man etwas sieht, und dann entscheidet, was man dafür zahlt.“

Eröffnet wird La Strada mit einer Theatervorstellung, für die derzeit am Bremer Rathaus ein Gerüst hochgezogen wird, in das sich die Schauspieler der französische Theatergruppe Companie Les Passagers einklinken werden. „Romeo und Julia“ in vertikaler Inszenierung: Die Schauspieler hängen, turnen oder malen. Sprechen werden sie wenig: Als zentrale Kommunikationsform wird die Malerei herhalten.

Und dann sind da noch der Theaterboulevard, das Viertel-Fest und das Elektronik-Festival im Lagerhaus. In Bremen, so muss man schließen, schlägt man eben gerne mehrere Fliegen mit einer Klappe. Und merkt gar nicht, dass es längst mehrere Klappen sind, die eine Fliege erschlagen. KLAUS IRLER

La Strada: 21.–24.8. in Bremen. Infos: www.strassenzirkus.de