Spartenübergreifend

Erfolgreich mit Neuer Musik: „Das Neue Ensemble“ aus Hannover feiert sein zehnjähriges Bestehen – Ein Gespräch mit dem Leiter Stephan Meier

Interview: REINALD HANKE

In kürzester Zeit ist Das Neue Ensemble in die erste Reihe der deutschen Spezialensembles für Neue Musik gerückt. Wie konnte es zu einer solch erfolgreichen Arbeit eines Ensembles kommen, das sich vorwiegend der neuesten Musik widmet und grenzüberschreitende Projekte zu seinem Anliegen gemacht hat? Europaweit fand man Partnerensembles, ebenso wie auch in den vergangenen Jahren immer wieder international gastiert wurde. taz nord sprach aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Neuen Ensembles mit seinem Leiter Stephan Meier.

taz nord: Wie kam es vor zehn Jahren zur Gründung des Neuen Ensembles?

Stephan Meier: Wir, das heißt die Gründungsmitglieder, kannten uns von der Hochschule und vom Musizieren in namhaften Spezialensembles für Neue Musik. Wir spielten wechselweise mal hier, mal da. Das war zwar sehr interessant und schön für eine gewisse Zeit, denn wir konnten mit vielen vorzüglichen Kollegen zusammenarbeiten, aber irgendwann einmal wollten wir die Dinge selbst in die Hand nehmen.

War die Mitwirkung in anderen Ensembles nicht herausfordernd genug?

Nein, das kann man so nicht sagen. Aber uns kam das Musizieren dort oftmals eher virtuos oder intellektuell-kalt vor. Wir jedoch hatten für uns immer einen anderen Anspruch, nämlich mit Lust auch in unserer heutigen Musik deren Sinnlichkeit und Wohlklang zu suchen. Dabei haben uns eigentlich weniger Stücke interessiert, die von vornherein „harmonisch“ konzipiert sind. Uns ging es immer um das, was hinter der musikalischen Oberfläche zu finden ist. Wir sind alle musikalisch sehr neugierig und auch risikofreudig. Und wir sind alle – jeder auf andere Weise zwar – Menschen, die musikalischen Humor schätzen, die Freude an der Ironie haben.

Das erklärt für mich, warum Das Neue Ensemble immer wieder Cage und Kagel aufführt. Aber Pierre Boulez, dieser vielleicht kopflastigste Musiker der Gegenwart, wird doch auch sehr häufig gespielt.

Ja, das stimmt durchaus. Es sind letztlich drei Pole, die das Programm unserer Ensembles bestimmen. Da ist einerseits die genannte Richtung Cage und Kagel. Da ist andererseits aber auch die so sehr konstruierte Musik eines Boulez, dessen Werke wir versuchen, nicht nur präzis, sondern auch verstehbar und schön zu spielen. Vielleicht kommt sie auch deshalb bei unserem Publikum so gut an.

Es klappt oft beeindruckend gut ...

... aber es gibt noch einen dritten Schwerpunkt unserer Auseinandersetzung mit der Musik unserer Zeitgenossen. Es ist dies die Bezugnahme auf spezielle Veranstaltungsräume und unser spartenübergreifender Ansatz.

Die Reihe „Mobile Musik“ etwa lockte das hannoversche Musikpublikum mit Kunstrichtungen übergreifenden Programmkonzepten in die unterschiedlichsten Räume.

Ja, es war uns auch immer ein Anliegen, eine neues offenes Publikum zu gewinnen. Das versuchen wir einerseits mit pädagogischen Projekten, andererseits durch unsere vielen Konzerte, in denen wir andere Künste in unsere Abende integrieren. Es ist oftmals leichter unter den Freunden des Theaters oder der Malerei offene Ohren zu finden als beim herkömmlichen Konzertpublikum.

Gab es da besonders hervorzuhebende Veranstaltungen?

Unser „Gelbe Klänge“-Projekt unter Bezug auf Kandinsky war sehr erfolgreich. Konzerte mit szenischen Elementen ebenfalls. Und jetzt planen wir Veranstaltungen im Bereich Musik und Film. Gunter Lege wird für uns ein Stück schreiben. Musik von Joseph Anton Riedl wird im Konzert am 14. Oktober genauso im Programm zu erleben sein wie Klänge von Hans Eisler. Und wir werden erstmals ein Stück ein zweites Mal ins Programm nehmen, nämlich Maurizio Kagels witziges „Match“ für drei Spieler.

Zunächst stehen aber erst einmal Jubiläumsveranstaltungen auf dem Programm?

Ja, am 22. und 23. August treffen wir uns mit unserem Publikum und drei befreundeten Ensembles aus Amsterdam, Krakau und Genf im Sprengel-Museum und beim NDR. Jedes Ensemble hat Lieblingsstücke und Lieblingskomponisten ausgesucht. Von denen spielen wir dann teils gemeinsam, teils getrennt Stücke zum Thema „Ton-Film“. Obertitel des Ganzen ist „Ensemble Spiel“. Das wird sicher bereits in den Proben eine spannende Sache. Im September und Oktober läuft dieses ganze Projekt dann in Krakau und Amsterdam.

22.8., Sprengel-Museum, Kurt-Schwitters-Platz 1, Hannover: Diskussion „Moving Sounds and Pictures 2003“ (18 Uhr), Ensemble Spiel I (19 Uhr), Ensemble Spiel II (21 Uhr); 23.8., Sprengel-Museum: Eröffnung Video-Skulptur (16 Uhr), Crash-Kurs Film + Musik (16.30 Uhr); 23.8., NDR Landesfunkhaus Niedersachsen, Hannover: Diskussion „Being a European Ensemble for New Music“ (18 Uhr), Ensemble Spiel III (19 Uhr), Ensemble Spiel IV (21 Uhr)