Der stumme Bezauberer

Der NDR lässt eines der schönsten Kapitel der Fernsehgeschichte wieder aufleben. Immer sonntags um 12.30 Uhr kehrt die tschechische Alltagsmärchenfigur „Pan Tau“ auf die Bildschirme zurück

von ARNO FRANK

Normalerweise. Normalerweise sind die Kurzen kurz und die Großen groß. Nicht so der „Freund aller Kinder“. Optisch ein soignierter Gentleman mit Schirm, Charme und Melone. Recht eigentlich aber eine Märchenfigur, wie es sie kein zweites Mal gab. Denn erstens konnte er sich – vier Klopfer oben auf die Schüssel der Melone, dann kurz an der Krempe entlanggewischt – in einen animierten Däumling verwandeln. Und zweitens sagte Pan Tau niemals auch nur ein einziges Wort.

Von der legendären Serie aus den ebenso legendären Barrandov-Studios („Die Märchenprinzessin“) wurden zwischen 1970 und 1980 insgesamt 33 Episoden gedreht. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Ota Hofmann, Regie führte mit Jindrich Polak eben jener gute Onkel, dem wir auch Serien wie „Die Besucher“, „Luzie, der Schrecken der Straße“ oder „Die Tintenfische aus dem zweiten Stock“ verdanken.

Keine seiner Figuren aber blieb einer gewissen Generation so nachhaltig im Gedächtnis wie der rätselhafte Pan Tau, verkörpert von Otto Simanek. Dem Schauspieler und Pantomimen aus Prag schien die fantastische Figur zwar auf den Leib geschrieben. In einer ursprüngliche Fassung von 1966 aber war noch Carlo Ponti für die Hauptrolle vorgesehen, der Ehemann von Sophia Loren.

Verwirklicht wurde „Pan Tau“ schließlich in Kopropduktion zwischen dem Tschechischen Fernsehen und dem WDR, der ersten erfolgreichen TV-Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Während die Serie für den deutschen Markt produziert wurde, bekamen die Tschechen Spielfilme zu sehen, die aus dem gleichen Material zusammengeschnitten worden waren – so war es damals Praxis. Ausgerechnet der NDR, der sich zuletzt in Sachen Kinderfernsehen nicht gerade mit Ruhm bekleckerte, hat „Pan Tau“ nun wieder entdeckt. Besser der NDR als Disney. 22 Episoden laufen künftig im Sonntagmittagprogramm.

Seinerzeit jedenfalls war „Pan Tau“ mit bis zu 30 Prozent Einschaltquote die einzige Kinderserie, die den Titel „Straßenfeger“ verdiente. Nur „Pippi Langstrumpf“ war noch populärer. War aber Astrid Lindgrens Geschöpf einfach ein Überkind mit Superkräften, so ist die Sache bei Pan Tau komplizierter. Er ist ein auf altmodische Weise Erwachsener, dessen Zauberkräfte ihn kinderklein machen konnten – eine würdevolle Mischung aus komischem Kobold, lustigem Clown und gestrengem Anwalt. Ein Anwalt in Sachen Kinderglück allerdings, der klassische Kinderprobleme löst – wenn etwa zum Schlittenfahren zu wenig Schnee liegt. Und wenn’s hart auf hart kommt, dann zaubert er sich klein – und man kann ihn auf der Flucht in die Tasche stecken.

Simanek, der zum Ensemble des Prager Stadttheaters gehörte und am dortigen Konservatorium Pantomime lehrte, starb 1992. Seine Witwe vergrub die Urne irgendwo im böhmischen Wald.