Ein Regiestar übt Selbstkritik: „Opening Night“ von John Cassavetes im Metropolis
: Aufstand der Schauspieler

Es ist sein vielleicht programmatischster Film. Und er kam mit 25-jähriger Verspätung in die hiesigen Kinos: John Cassavetes‘ Opening Night, der 1977 in den USA mit nur einer einzigen Kopie startete und im selben Jahr die Berlinale eröffnete, ist dieses Jahr erstmals in Deutschland auf regulären Leinwänden zu sehen. Das ist unglaublich und passt doch zur eigentümlichen Rezeption der Filme Cassavetes‘, die sich selten anders als mit wortkarger Ehrfurcht oder irritiertem Schweigen geäußert hat.

17 Jahre nach seinem Debüt Shadows thematisierte Cassavetes in Opening Night eindringlich das eigene Verfahren. Ben Gazarra spielt in dem Film einen Theaterregisseur, dem die Umsetzung eines Stücks der Autorin Sarah Goode (Joan Blondell) zu entgleiten droht. Die Konflikte seiner Hauptdarstellerin Myrtle Gordon (Gina Rowlands) mit ihrer Rolle machen die Proben für alle Beteiligten zur Tortur: Sie soll eine alternde, kinderlose Frau spielen, die an den verpassten Chancen ihres Lebens zu zerbrechen droht. Die Rolle ihres Ehemannes auf der Bühne und Ex-Liebhabers in der fiktiven Handlung des Films hat Cassavetes selbst übernommen. Gastauftritte von Peter Falk, Seymour Cassel und Peter Bogdanovich machen den Film zu einer beeindruckenden Parade der Filmfamilie, mit der sich das Paar Rowlands-Cassavetes über Jahrzehnte umgeben hat.

Im Zentrum der Konflikte des Films stehen Fragen von Method Acting und Improvisation, wie sie Cassavetes‘ Arbeit stets begleitet haben. Die Art und Weise, wie beides hier verhandelt wird, eröffnet interessante neue Perspektiven auf sein Werk. Mit Vehemenz nämlich wehrt sich die Filmdiva Myrtle Gordon in Opening Night dagegen, sich als realer Mensch so zu begreifen, wie es die Autorin des Stücks vorgibt: Am Altern zu verzweifeln, dafür sieht sie in ihrem wirklichen Leben keinen Anlass. Auch wenn er die Persönlichkeiten seiner Schauspieler immer exploitiert hat für seine Filme, war sich Cassavetes der Gewalt offenbar bewusst, mit der die Forderung nach identifikatorischem Spiel auf die Selbstwahrnehmung der Schauspieler zurückwirkt. Jene, die Cassavetes seit A Woman Under Influence der Frauenfeindlichkeit bezichtigen, müssten diese Selbstreflexion zumindest wohlwollend in Rechnung stellen. Christiane Müller-Lobeck

Sa–Mo + Mi, 19 Uhr und Di, 21.15 Uhr, Metropolis