Humphrey Bogart zeigt Gefühle: „In a Lonely Place“ von Nicholas Ray im Abaton
: Die inneren Dämonen

„Jean-Luc Godard wrote: ‚Nicholas Ray is Cinema‘“, lassen Gilbert Adair und Bernardo Bertulucci einen ihrer drei kinoverrückten Protagonisten in The Dreamers sagen und erinnern damit an die ungeheure Bedeutung, die Rays Filme in den 50er Jahren für späteren Nouvelle-Vague-Regisseure hatten. Diese rühmten den inspirierten Einsatz der filmischen Mittel, jene unverwechselbare ‚mise en scene‘, welche einen Regisseur erst zum ‚auteur‘ mache.

Einen „Intellektuellen, der aber alles, was nicht vom Herzen kommt, wegzulassen versteht“, sah Jacques Rivette in Ray. Und natürlich bewunderte man man ihn auch als Rebellen, der schon vom Beginn seiner Karriere in den späten 40er Jahren an keinem Konflikt mit den strikten Vorgaben der großen Hollywood-Studios aus dem Wege ging.

Als mustergültig für Rays Kino darf In a Lonely Place aus dem Jahr 1950 gelten, der nun dankenswerterweise im Original mit Untertiteln zu sehen ist. Humphrey Bogart spielt in diesem vierten von Rays insgesamt 24 Filmen einen Drehbuchautoren, der in Verdacht gerät, ein Garderobenmädchen umgebracht zu haben, das zu ihm nach Hause gekommen war. Entlastet wird er durch die Aussage seiner Nachbarin (Gloria Grahame, die während der Dreharbeiten noch mit Ray verheiratet war und später seinen Sohn aus erster Ehe heiratete). Die beiden verlieben sich, wodurch er sogar seine Schreibblockade überwindet. Ihr Verhältnis zueinander wird ob seiner Neigung zu Gewaltausbrüchen jedoch von zunehmendem Misstrauen geprägt. Hat er womöglich doch etwas mit dem Mord zu tun?

In a Lonely Place ist ein Film Noir, dessen Figuren sich mit inneren Dämonen herumschlagen. Zu überwinden vermögen sie diese nur vorübergehend – nach und nach wird eine eigentlich recht zukunftsträchtige Liebe davon vergiftet. „I was born, when she kissed me, I died when she left me. I lived a few weeks while she loved me“, tippt Bogart einmal in seine Maschine.

Immer wieder phänomenal ist, was Ray, der später James Dean in Rebel Without a Cause unsterblich machen sollte, aus seinen Darstellern herausholt. So zeigt Humphrey Bogart hier Gefühle wie sonst nur bei Howard Hawks oder Raoul Walsh. Gloria Grahame lässt er die laszive Austrahlung ihrer später bei Fritz Lang weiterentwickelten Noir-Heroine erproben.

Nicht zuletzt ist In a Lonely Place ein Porträt Hollywoods und beschäftigt sich mit der Frage, wie man sich in diesem Haifischbecken seine moralische und künstlerische Integrität bewahrt. Klar, dass Rays pessimistische Grundstimmung den Hollywood-Romanen von F. Scott Fitzgerald und Nathaniel West näher ist als der Heiterkeit eines „Singin‘ in the Rain“. Aber ein Romantiker, das bezeugt In a Lonley Place mit jedem Bild, ist Ray durch und durch. Und trotz aller verlorenen Kämpfe nie zum Zyniker geworden wie etwa Billy Wilder in Sunset Boulevard, in dessen Schatten er lange zu Unrecht stand. Eckhard Haschen

Do, 22.30 + Fr, 17 Uhr, Abaton