Hilflos im Knast

Antwort auf GAL-Anfrage: Senat räumt Diagnose-Willkür gegen Abschiebehäftlinge ein, die sich selbst verletzten

Der Senat nimmt Abschiebegefangene, die sich selbst verstümmeln, nicht Ernst. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der GAL über die gesundheitliche Betreuung von Abschiebehäftlingen hervor.

Die grüne Fraktion wollte herausfinden, wann Selbstverletzungen von inhaftierten Flüchtlingen als Suizidversuch gelten oder aber als Widerstand gegen Abschiebung. „Ein Kriterienkatalog besteht nicht“, antwortete der Senat knapp.

Diese Replik ist „absolut dreist“, empört sich jetzt die gesundheitspolitische Sprecherin der GAL, Katja Husen. Dass es kein standardisiertes System gebe, wonach Psychologen über eine Selbstmordgefährdung entscheiden, offenbare eine „Willkürpraxis“ bei der Beurteilung von Selbstverletzungen in Hamburgs Abschiebeknästen. Husen argwöhnt: „Da wird nicht medizinisch, sondern politisch entschieden.“

Aber nicht nur das regt die Gesundheitspolitikerin auf. Die GALierin wollte vom Senat erfahren, ob er psychologische Betreuung vorsehe für Flüchtlinge, die sich im Knast regelmäßig selbst verletzen. Konkret fragte Husen, ob der Senat Selbstverstümmelungen wie das Durchstoßen der Gurgel mit einer Kugelschreibermine „als Ausdruck psychischer Labilität“ werte. Sie spielt damit auf den Fall des Togolesen Kokou D. an, der trotz dreier Suizidversuche in Abschiebehaft keine psychologische Hilfe erfuhr (taz berichtete). Der Senat entgegnete, er habe sich „hiermit nicht befasst“.

Husen findet diese „lapidare Antwort bitter“. Jetzt erwägt sie, mit einer weiteren Anfrage tiefer nachzubohren. eva weikert