Beim Naturschutz ist erst mal Sense

Brandenburg muss sparen. Deshalb bekommen Landwirte, die ökologisch korrekt per Hand mähen, weniger Zuschüsse. Zwar soll EU-Geld Ersatz schaffen, dennoch fürchten Bauernhöfe um ihre Existenz

VON JAN STERNBERG

Es geht um Millionenbeträge, um europäische Kofinanzierung und die brandenburgische Haushaltsmisere. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite stehen Feuchtwiesen, Nistplätze und Landwirte etwa im Spreewald oder im Westhavelland. Sie haben sich verpflichtet, Wiesen per Hand zu mähen, Überschwemmungsflächen nicht trockenzulegen, beim Entkrauten von Wasserwegen auf Bagger-Einsatz zu verzichten und Schädlinge nicht mit Pestiziden zu bekämpfen.

Für alles das gibt es Geld. Beziehungsweise: gab es Geld. Um knapp drei Viertel hat das Land Brandenburg dieses Jahr die Mittel für den „Vertragsnaturschutz“, so heißt diese Form des Umweltschutzes, gekürzt – von rund 6,5 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf jetzt noch 1,87 Millionen. „Wir mussten das tun“, sagt Jens-Uwe Schade, Sprecher von Agrar- und Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD). Schließlich werde der Vertragsnaturschutz ausschließlich aus Landesmitteln bestritten. Die Förderung soll in Zukunft hauptsächlich aus dem ähnlich gestrickten Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) der Europäischen Union kommen. Bei Kulap bezahlt die EU drei Viertel der Fördersumme, das Land muss das restliche Viertel aufbringen. „Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir bei sinkenden Steuereinnahmen unser Geld nicht dafür einsetzen würden, EU-Förderung abzurufen“, erklärt Schade.

Mehr als 45 Millionen Euro sollen über Kulap dieses Jahr landesweit ausgeschüttet werden, dazu kommen noch mal 7 Millionen aus der so genannten Artikel-16-Förderung, die in von der EU anerkannten Schutzgebieten greift. Eine Menge Geld für die Umwelt – dennoch regt sich Protest. Denn bei weitem nicht alle Maßnahmen, die vom Vertragsnaturschutz bezahlt wurden, können über die EU-Programme finanziert werden.

Besonders hart trifft es Landwirte, die in oder an Schutzgebieten, Naturparks und Biosphärenreservaten ihre Felder bestellen. Sie haben in der Vergangenheit massive Auflagen akzeptiert, für die sie nun nicht mehr entschädigt werden können. „Das Wegbrechen der Finanzierung stellt die Landwirte teilweise vor existenzielle Probleme“, erklärt die grüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm. Die Kürzungen seien „ein großer Verlust für den Naturschutz und für die Landwirte in Brandenburg“.

Michael Petschick stimmt dem zu. Seit zehn Jahren versucht der Landwirtschaftsreferent im Biosphärenreservat Spreewald Landwirte zu überzeugen, naturnah zu wirtschaften. Dank der Landesmittel oft mit Erfolg: „Ich treffe mich mit den Bauern draußen, sage ihnen, was ich mir vorstelle. Dann machen wir am Küchentisch einen Vertrag. Das ist die moderne Form eines integrierten Naturschutzes.“ 200 Vertragspartner hat Petschick. Der Vertrag gilt nur für ein Jahr, der Landwirt kann also flexibel sein. Unter Kulap gibt es diese Flexibilität nicht. Mindestes fünf Jahre muss die Handmahd von Weiden, die Streuobstwiesenpflege oder die Umwandlung von Acker in Grünland durchgehalten werden. Für die kleinen Spreewaldhöfe ist das oft unmöglich: „Die sind extrem wetterabhängig“, sagt Petschick, „und brauchen hohe Flexibilität.“ Oft erhielten Höfe Vertragsnaturschutz-Mittel zusätzlich zu einer EU-Förderung. Erst dann lohnte sich der Hof. „Im Spreewald werden einige Scheunentore für immer schließen“, so Petschick. „Wenn einer in den Ruhestand geht, findet er keinen Nachfolger mehr.“

Die Landwirte „fühlen sich total hängen gelassen“, wettert Thomas Goebel, Vorsitzender des Bauernverbandes Niederlausitz-Spreewald. „Wir haben jahrelang darum gekämpft, von irgendwelchen Fördertöpfen unabhängig zu werden. Aber jetzt drehen sie einfach den Hahn ab und lassen uns bluten.“

Die geförderte Landwirtschaft im Spreewald sei eigentlich Pflege des Tourismus-Umfelds, sagt Ministeriumssprecher Schade: „Diese Traditionsbauern könnten ebenso gut aus Tourismus-Einnahmen unterstützt werden.“ Dagegen sperrt sich auch Michael Petschick nicht. Da eine „Naturtaxe“ für Spreewaldbesucher seit Jahren ohne Ergebnis diskutiert wird, setzt er jetzt auf direkte Zusammenarbeit mit den Touristikern: „Ein Gastronom kann dafür zahlen, dass Feuchtwiesen neben seinem Haus per Hand gemäht werden. Schließlich kommen seine Gäste wegen der Natur.“

Einige Mitstreiter für diese Idee vom Natur- und Wirtschaftsraum Spreewald hat Petschick bereits gewonnen. „Jetzt gibt es Druck, wenn die Mittel wegfallen, das kann auch gut sein.“ Doch etwas mehr öffentlich geförderte Übergangszeit hätte er sich schon gewünscht. „Wir haben gekämpft“, sagt er. „Aber das Ministerium hat jede Diskussion abgeblockt.“