Und das ist halt so

Guido Westerwelle war mit seinem Freund bei Angela Merkels offizieller Geburtstagsparty. Es war ein stilles Coming-out. Über sein Privatleben wird der FDP-Chef wohl auch künftig nicht öffentlich reden

VON MARTIN REICHERT

Früher wurde nur darüber getuschelt, jetzt darf darüber offiziell geredet werden: Guido Westerwelle (42) ist schwul. Wer hätte das gedacht. Bild enthüllte gestern auf Seite 1 Westerwelles „größtes Geheimnis“ und druckte ein Foto des FDP-Vorsitzenden, das ihn an der Seite seines „gut aussehenden“ Lebensgefährten Michael Mronz (36) zeigt. So wie sein öffentliches „Coming-out“ hätte Westerwelle Angela Merkels etwas ungewöhnliche Geburtstagsparty fast verpasst: Die CDU-Einladung zu einem Vortrag über „Das Gehirn: Ein Beispiel zur Selbstorganisation komplexer Systeme“ war zunächst in der Ablage gelandet, dort also, wo bislang Westerwelles Homosexualität geparkt war, allerdings nicht unter der Rubrik „Total langweilig. Absagen“ sondern unter „Privat. Nix sagen“. Westerwelle hat sein eigenes komplexes Ablage-System offenkundig einem Relaunch unterzogen und das angeblich Private öffentlich gemacht, indem er seinen Freund zu einem offiziellen Medienereignis mitbrachte. So, als sei gar nichts dabei, so, als ob man zu Opas 70. Geburtstag im Sauerland plötzlich den Lover aus Berlin mitbringt und alle so tun, als wenn das ganz normal wäre. Allerdings steht dies dann am nächsten Tag nicht in Deutschlands größter Tageszeitung.

Der Spiegel brachte in diesem Zusammenhang schon Ende letzten Monats den Begriff „stilles Outing“ in Umlauf: Westerwelle war zusammen mit seinem Partner während eines Essens des liberal-konservativen Führungszirkels im Berliner Nobel-Restaurant „Facil“ gesichtet worden: geladen waren ausdrücklich auch die Partner der Politiker, und Westerwelle hatte sich erstmals entschlossen, dieser Aufforderung nachzukommen, statt weiterhin den eingefleischten Junggesellen zu geben, für den ihn noch nie jemand gehalten hatte.

Während Edmund Stoiber der Merkel höfliche Geburtstagsgrüße „als Schwester“ überbrachte, outete sich Westerwelle als solche, der „lieben Angela“ hoffentlich zum Wohlgefallen. Nun hat er es also endlich geschafft, man darf gespannt sein, ob Guido II, die nach dem Möllemann-Debakel marketingtechnisch überarbeitete Version des Politikers, in Zukunft auch über seine Sexualität sprechen wird. Falls es tatsächlich ein „stilles Coming-out“ werden soll, wohl eher nicht, denn Westerwelle muss fürchten, das ihm dies als weiterer Scoup in Sachen Selbstverkaufe ausgelegt würde. Ein FDP-Sprecher wollte sich dementsprechend nicht zum Auftritt des Paares am Montagabend äußern: „Privatleben ist Privatsache, zumal dann, wenn jemand wie FDP-Chef Guido Westerwelle sein Privatleben niemals zum Gegenstand öffentlicher Berichterstattung gemacht hat“.

Egal, denn einen Preis für Zivilcourage gibt es dafür ohnehin nicht mehr, weder für Westerwelle noch für die FDP. Auf einen „Wowi“-Effekt braucht er nicht zu hoffen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit wird von den Schwulen und Lesben geschätzt, weil er mit seinem trotzigen „Und das ist auch gut so“ bereits mehr für die Community geleistet hat, als von einem Politiker zu erhoffen gewesen wäre. Wowereit hat mit seinem Outing einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung der Homosexuellen geleistet: Sieh an, so einer kann sogar Regierender Bürgermeister werden. Das durch Ronald Schill quasi erpresste Outing seines Hamburger Kollegen Ole von Beust geriet im Vergleich zu einem einzigen Krampf für alle Beteiligten, indem auch tatsächlich private „Geräusche aus der Wohnung“ Gegenstand der öffentlichen Diskussion geworden waren.

Westerwelle hat sich bislang wie von Beust in die Post-Schwulenbewegungs-Attitüde geflüchtet, dass Homosexualität Privatsache sei. Nicht nur der Kampf um die eingetragene Lebenspartnerschaft zeigt bis heute, dass dem noch immer nicht so ist. „Der Guiiidooo“ wurde er unter vorgehaltener Hand hämisch genannt, und die Bezeichnung „Schwesterwelle“ hat sich regelrecht eingebürgert, die Medien ergingen sich in Andeutungen über die „Rückseite“ (Stern) von Westerwelles Leben und hielten sich gerade noch so an die ungeliebte Regelung, das „man“ darüber nicht schreibt. Ist etwas tatsächlich privat, wenn die ganze Republik darüber tuschelt und Witzchen macht?

Westerwelle hatte nie wirklich ein Geheimnis aus seiner Homosexualität gemacht, er hat einen Eiertanz darum veranstaltet. „Ich liebe Venedig“. hatte er dereinst im SZ-Magazin verkündet und sich im weißen Anzug ausgerechnet als blonde Version der Thomas Mann’schen Romanfigur Gustav Aschenbach inszeniert, der auf tragische Art und Weise seinen „Tod in Venedig“ gefunden hatte. Thomas Mann wäre natürlich nie auf die Idee gekommen, sich als Schwuler zu outen. Der sublimierten Homosexualität des verheirateten Schriftstellers verdanken wir allerdings einige der großen Werke der Weltliteratur, den Eiertänzen des Guido Westerwelle höchstens, dass die Union bei der letzten Bundestagswahl nicht an die Macht gekommen ist.